Die Alp Balfries ist die schönste und grösste Privatstossalp in der Herrschaft Wartau, und enthält 447 Stösse. Sie hat 4 Sennhütten und wird mit allerley Vieh benutzt. Gegen Morgen gränzt sie an Tschucken, gegen Mittag an die gegen das Sarganserland liegende Bergkette, gegen Abend an die ins Sarganserland gehörende Alp Mallun, gegen Mitternacht auf ein Berggipfel, welcher der Alvier genennt wird, weil 4 Alpen, nämlich Balfries, Mallun, die Oberschaner Alp und Matschull, daran stossen, und der höchste Berg auf diesem Gebirge ist.
Es ist merkwürdig, dass diese hohe Alp in uralten Zeiten überall mit vielen Häusern besetzt und Sommer und Winter stark bewohnt war, ja dass man sogar noch sehr alte pergamentene Alpenbücher ohne Jahrzahl besitzt, worin deutlich verzeichnet steht, wie die Alpgenossen in Balfries ihre Alp vergrössert und mehrere Häuser und Güter nach einander angekauft und zur Alp geschlagen haben. Eben so sieht man noch jetzo sehr viele Plätze, wo Häuser, Ställe und Wasserleitungen standen. Dies bestätigen auch die Gemeindebücher und andere Urkunden, indem viele sich in das Gemeindrecht im Thale einkauften, und Verzicht auf ihre vorigen Freyheiten auf dem Berge thun mussten. Ja sogar gegenwärtig befinden sich noch 4 Haushaltungen auf dieser Alp, die Sommer und Winter daselbst wohnen, und eigene auf der Alp eingeschlagene Güter besitzen. Diese Aelpler wurden bis zur Aufhebung der Landvogteyen in der Schweiz, welche Ao. 1798 erfolgte, die freyen Walser genennt, weil sie von einigen Abgaben an den Landvogt z. E. vom Leibfahl, Fastnachtshühnern, und Tagmolken befreyt waren, denen sich die Thalbewohner unterziehen mussten. In den leztverflossenen Revolutionsjahren waren diese Aelpler in Absicht der Militärlasten gegen den an Landstrassen wohnenden Thalbewohner glükliche Leute. Vielleicht sind die Menschen in jenen uralten Zeiten der Barbarey, wo das Faustrecht geltend war, oder wo von streifenden Horden die niedrigen Gegenden und Dörfer beunruhigt wurden, aus der gleichen Ursache um eine sichere Freystätte zu finden, in diese höhern Gegenden hinaufgezogen; nachher aber in einer ruhigeren und besseren Lage vertauschten ihre Nachkömmlinge wieder die wildere Gegend mit dem sanfteren Thalgelände.
Auf dieser Alp müssen in ehmaligen Zeiten grosse Strecken mit Tannenwaldungen besezt gewesen seyn, indem man jetzt noch hin und wieder einzelne dürre Tannenbäume stehend und liegend auf derselben antrift; gegenwärtig liegt sie aber ganz über der Region des Holzwuchses.
Neben den vier Sennhütten dieser Alp sind einzelne kleine Wiesenplätze eingezäunt, auf welchen die Sennen Heu einsammeln, und dasselbe dann zu Ende des Sommers mit dem Rindvieh, und namentlich mit den Milchkühen aufbrauchen. Auch leistet es den Hirten alsdann, wenn zu Ende des Sommers ein früher Schnee den Alpenboden bedekt, grosse Dienste.
(Quelle: „Beschreibung der Schweizerischen Alpen- und Landwirthschaft“, 1804, Johann Rudolf Steinmüller)
In Balfries, einer schönen, fast ebenen Alp am aussichtsreichen Alvier, die über 600 Stösse zählt, befand sich ehemals ein Dörfchen von 14 Häusern und einer Kapelle (auch am nahen Walserberge und auf Matug standen solche), darunter ein gewaltiges Gebäude mit 30 Zimmern. Die schönsten uralten Tannenwälder bedeckten seine Hochflächen und hielten die kalten Winde ab. Riesenstarke Leute wohnten dort, die führten das freieste Leben; denn sie hatten zahlreiche Heerden und auch die Jagd war ergiebig; so assen sie denn nichts als Fleisch, Butter und Käse und tranken Rahm und Milch dazu, so viel Haut und Bauch fassen konnte; von geistiger Anstrengung bekamen sie natürlich nie Kopfschmerz; ja die Buben hatten so harte Schädel, dass sie mit den Schafen und Ziegen manchen Stosskampf aufnahmen. An der Sonne oder am Herdfeuer liegen, essen und trinken, das Vieh besorgen, Holz spalten und jagen, das war ihre Beschäftigung von Anfang bis Ende ihres Lebens. Der Stärkste dieser Starken war der Benedikt. Einst trug er ein gewöhnliches Fass Salz vom Thale aus ohne auszuruhen auf dem Rücken nach Balfries (3 Std.); noch grösser war aber seine Leistung beim Bau des grossen Hauses. Da trug er das dicke, 50’ lange Haupt«trämt» (Balken) der Stuben- und Küchendiele allein auf dem Rücken aus dem Walde zur Baustelle – eine Last, an der jetzt 4 baumstarke Mannen verzweifeln würden. Durch die schonungslose Ausreutung der Wälder von oben herab und um das Dörfchen verschlimmerte sich aber das Klima von Jahrzehnt zu Jahrzehnt und als einst in einem Winter der «Gschirbletz» (das Waschtuch der Küchengeschirre) gefror, so sagten sich die Balfrieser: «Jetz isch Zit z’wiiche.» Sie siedelten sich nach und nach bei ihren Gemeindsgenossen in Wartau an und ihr Dorf verfiel dem Zahn der Verwitterung; nur ein Haus blieb als Sennhütte erhalten. Da sie aber in ihrer frühern Abgeschiedenheit katholisch geblieben waren und jetzt nur wenige von ihnen Lust zeigten, zu Zwinglis Lehre überzutreten, so suchte die Gemeinde ihrer los zu werden, damit sie nicht dereinst gezwungen werde, pekuniäre Opfer für ihre Kirche zu bringen. Sie kaufte daher einige aus dem Bürgerrechte aus und spedirte die letzten vor einigen Jahren mit bedeutender Unterstützung nach Amerika.
(Quelle: Die Alpenpost 1871)
Sagen über die alten Palfrieser.
Palfries war einst von den freien Walsern bewohnt. Am Eingang der Alp hatte der “Kammjos” sein Heimwesen. Eines Morgens kam dessen Tochter aus der Küche in die Stube hereingesprungen und rief mit dem Ausdruck grosser Verwunderung: “Du, Vater, d’s Wasser hät gnidlet!” Es hatte nämlich eine Eiskruste bekommen. Der Vater wurde darob recht ernsthaft und erwiderte: “Soa, soa, jetz chunn die böasa Joahr; jetz müessen mer wicha!” Und so verliessen sie ihre Berge und zogen ins Tal herunter.
Länger hielten sich ihre Verwandten am Walserberg. Noch in den dreissiger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde im “Wieslihaus” Schule gehalten. Heute aber wohnt auch dort für das ganze Jahr keine Seele mehr. (U. Adank)
Hier wohnten auch die Schuhmacher, die sich später in Sargans niedergelassen haben.
Eine Frau aus diesem Geschlechte habe einst einen Lägel Wein von Sargans durch die Spina nach Palfries hinaufgetragen, ohne unterwegs auszuruhen. (J. Ch. Berger)
Ein alter Palfrieser war so stark, dass er alles Holz zu seinem Hausbau allein auf den Schultern aus dem Wald herbeitrug. Bei der nächsten Hütte hatte sich ein fremder Hirt niedergelassen, dessen Stier oft in den Hof des Palfriesers einbrach. Der Palfrieser sagte dem Hirten, er solle seinen Stier besser hüten. Der andere aber höhnte ihn nur und erfrechte sich sogar, ihm den Hut vom Kopf zu schlagen. Da nahm ihn der Palfrieser unter den Arm, trug ihn zum Hute hin und befahl ihm, diesen aufzulesen. Der Hirt aber tat keinen Schnauf mehr; der Starke hatte ihn erdrückt. (J. B. Stoop)