Alpina 1895
Führerwesen. Neupatentierte Führer der Sektion Rhätia: …. Johann Peter Enderlin, Maienfeld, ….
Alpina 1896
Die Sektionstour auf den Falknis, 14. Juni 1896, hatte eine besondere Veranlassung. Bergführer Fortunat Enderlin Vater, Bünte-Maienfeld hat vor einigen Jahren von Maienfeld auf den Falknis auf eigene Initiative einen Weg erstellt.
„Der Falknis, 2566m, ist eine der schönsten Bergformen Bündens und vielleicht der ganzen Schweiz. Scharf geschnitten, in verwegenen Umrissen steigen seine Kanten und turmartigen Hörner auf. Wald und Rasenbänder unterbrechen die grauen kahlen Felsen, und die Spitze ziert den grössten Teil des Jahres glänzender Schnee. Abends, wenn die Sonne sinkt, färbt sich das alles mit glühendem Rot.“ (Theobald)
Auf diesen herrlichen Berg hat Vater Enderlin mit viel Mühe und Arbeit einen Weg gegraben, von dem Imhof im Itinerar sagt: „Dieser Weg ist der kürzeste, aussichtsreichste und der beste. Gute Gänger können auf ihm leicht von Maienfeld aus in fünf Stunden die Spitze erreichen.“ Für die Erstellung dieses Weges sowie für den jährlichen Unterhalt hat Enderlin jede Entschädigung mit der ihm eigenen Energie zurückgewiesen. „Ich habe den Weg erstellt, weil ich in meinem langen Leben auf den Bergen so viele glückliche Stunden und Tage verlebt und weil ich andern diese Freude auch gönnen mag.“
Man hat ihm dafür eine Anerkennungsurkunde in Farbendruck erstellen lassen und übergeben.
„Die Sektion Piz Sol des Schweizerischen Alpenclubs widmet Bergführer Fortunat Enderlin in Maienfeld in dankbarer Anerkennung seiner uneigennützigen Verdienste als Bergführer, sowie seiner aufopfernden Thätigkeit in Erstellung des Falknisweges dieses Gedenkblatt, begleitet von den besten Wünschen. Maienfeld, August 1893. Namens der Sektion Piz Sol, der Präsident: Dr. Max Franz.“
Enderlin erklärte aber, diese Urkunde freue ihn erst recht, wenn die Sektion Piz Sol den Weg selber in Augenschein genommen und begangen habe. Das ist nun endlich geschehen.
Samstag 13. Juni, abends 6 ½ Uhr wurden die bergfreudigen Clubisten der Sektion Piz Sol vom Vater Enderlin auf der Station Maienfeld in Empfang genommen. Bei seinem Haus in der Bünte kredenzte uns Elly, Enderlins schöne Enkelin, einen Willkommenstrunk seines ausgezeichneten selbstgezogenen Weins. Auch Johann Peter Enderlin Sohn kam mit uns. In zwei Stunden waren wir bei den Heuschobern Bargün, 1462m. Nach kaltem Nachtessen schliefen wir im Wildheu warm und weich wie Munken. Nur der deutsche Herr, der von Ragaz aus mitgekommen war, sagte am Morgen: „Geschlafen habe ich nicht, aber schnarchen gehört habe ich.“ Das war wohl das fröhliche Murmeltier? – Morgens 3 Uhr Tagwacht. Präsident und Führer kochen eine kräftige Knorrsuppe, die allen schmeckte. Photographische Aufnahme von den Bargün. Um 4 Uhr Abmarsch, Vater Enderlin mit seinen 72 Jahren voran in einem Tempo, das uns Jungen Beine und Lungen auf eine harte Probe stellte. Durch die Wildheuplätze bis unter die Türme, zwischen grossem Similaturm und kleinem Gleckhorn mit den wunderzierlichen Gesteinsfalten hinauf ins Fläscherfürkli. Ob dem Schäferhüttli erste Rast, 6 Uhr 15 Minuten bis 7 Uhr 3 Minuten, essen, trinken, photographieren. Der deutsche Herr blieb hier ermüdet zurück. Über tiefen tragenden Schnee auf die Falknishöhe, an 7 Uhr 40 Minuten. Rede des Präsidenten, offizielle Anerkennung des von Fortunat Enderlin erstellten Weges, der zu seiner Ehre für und für Enderlinweg heissen soll. Ein aus aller Herzen kommendes Hoch und Vater Fortunat Enderlin schallte über Berg und Thal.
Aussicht prachtvoll. Die ganze hohe und hehre, nahe und ferne Firnenwelt um uns, und unter uns in milden Farben das Rheinthal von Chur bis zum Bodensee, das Seezthal und Lintthal bis zum Wallensee und Zürichsee und das Prättigau mit seinen waldigen Seitenthälern. Die Alpenseen des Fläscherthals waren noch zu; nur der unterste öffnete verschlafen ein wenig sein blaues Äuglein.
Tiefblauer Himmel, Windstille und warmer Sonnenschein und den kleinlichen Plagen des Alltagslebens entrückte glückliche Menschenkinder mit gehobenen menschenwürdigen Gefühlen. Sonntag auf den Bergen, sonniger wonniger Sonntag. Hier verstehen wir Uhlands Sonntagslied: „O süsses Graun, geheimes Wehn. Der Himmel nah und fern, er ist so klar und feierlich, so ganz, als wollt‘ er öffnen sich“; und Kapuziner Zwyssigs Schweizerpsalm: „Trittst im Morgenrot daher“; und Gottfried Kellers: „O mein Heimatland, o mein Schweizerland“; und Bergführer Mettiers „Heimweh“, als er das erste Mal allein auf dem Piz Kesch war, und den alten Enderlin, der still in die Welt hinausschaut. Wir verstehen uns. „Ich habe keinen Namen dafür. Gefühl ist alles, Name ist Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut.“
Nach langem genussvollen Verweilen, photographischen Aufnahmen, Einschreiben ins Gipfelbuch, musste von der Falknishöhe geschieden sein. Vater Enderlin legte Schwingerhosen an, und er, der 72jährige, machte uns einen Schneeritt vor, vor dem sich mancher überbedächtige Clubist entsetzt hätte. Der Schnee war aber auch wie gemacht zum Abrutschen. Über den alten tiefen Schnee eine neue weiche Schneeschicht ging es glatt und flott, ohne dass eine Hose zu Schaden kam. Der zurückgelassene deutsche Herr wurde im Fläscherfürkli abgeholt. Das Schneerutschen ins Fläscherthal wurde fortgesetzt. Bei den dieses Sports Unkundigen kam es zu possierlichen Purzeleien, „Donnerwetter“. Doch bald entschädigten die von den wenigsten Touristen gekannte Frühflora der Berge und einige leibhaftige Gemsen, „die müssen ins Protokoll, Herr Aktuar“, für das ausgestandene Ungemach, und alles war wieder gut.
Zwei der Gesellschaft erklommen noch das kühn aufstrebende Gleckhorn, 2451m. Wie von einem Ballon aus liegt die Bündner Herrschaft unter uns, jedes Haus, jeder Garten, jedes Weglein deutlich erkennbar. Neckische Nebelchen stiegen die Felswand herauf, umgaukelten und hüllten uns zeitweise ein. „Schweben wie Adler, vom Äther umschwommen, über den Wolken und über dem Wind, heia!“ Auf einen so luftigen Zacken zieht es euch nicht auch, fühlt ihr euch nicht versucht zu fliegen, wie wir es im Traum ja können? Eine Vererbung von geflügelten Ahnen, oder ein Ahnen von einer Entwicklung unseres Geschlechts zu einem neuen Geschlecht mit Flügeln, zu Formen, wie Phantasie und Künstler sie längst schufen? Von Darwins fledermausflügeligen Sauriern des alten Jurameers, dem dieses Riff entragte, bis zu Deschwandens und Murillos Engelsgestalten mit Federfittigen? Fliegen möchte‘ ich hinüber. Dort ist St. Pirminsberg.
Wir konnten uns fast nicht trennen von dieser hohen Warte. Auf dem Rückweg bot sich uns eine steile ununterbrochene Rutschbahn von der Höhe des Gleckhornkamms bis zur Tiefe des Fläscherthals. Um den Neuschnee vor uns in Bewegung zu setzen und von ihm nicht bedeckt zu werden, wälzten wir einige grosse Steine hinab. Dann wagten wir’s und machten eine Fahrt gegen 1000m Länge und 500m Fall in wenig Minuten in einem Flug, wie es schöner nicht hätte sein können. Es giebt Leute, sogar Clubisten, die über das Abrutschen nur Worte der Missbilligung, wie „jugendlicher Übermut“, „sträflicher Leichtsinn“ und dergleichen haben. Es kommt doch noch darauf an, wie und wo. Vor allem bedarf es auch dazu der Erfahrung und richtigen Beurteilung der mannigfachen Verhältnisse. Ein Abrutschen über eine steile, mit neuem oder nassem Schnee bedeckte Grashalde oberhalb Felsabstürzen ist ungleich gefährlicher, als über einen mit tiefem Schnee bedeckten Schuttkegel. Bei Neuschnee muss man sich hüten, vom mit- und nachrutschenden Schnee bedeckt zu werden; immer obenauf bleiben und Füsse frei behalten. Abrutschen im Nebel ist bedenklich, ausser an ganz bekannten Orten. Nur tiefer Schnee eignet sich zum Abrutschen. Bei einer dünnen Schneedecke könnte man sich an Steinen oder Stumpen schädigen. Harter Schnee, z.B. Lauenschnee und schnorziger Schnee sind zum Abfahren weniger gut. Der Bergstock eignet sich der Länge wegen besser zum Abfahren als der Pickel, mit dem man sich zudem beim Überschlagen schwer verletzen könnte. Stock oder Pickel nie zwischen die Beine nehmen. In tiefem weichem Schnee darf man absitzen, wenn man extra Hosen, z.B. solche mit Lederbesatz hat, im harten Schnee aber nicht. Gegen das Ende eines Schneefeldes immer die Geschwindigkeit mässigen, weil es unten vom Schmelzwasser meistens Eis hat und das plötzliche Anhalten auf schneefreiem Boden einen Sturz unvermeidlich macht, wobei an steinigen Orten der Schädel zu Schaden kommen könnte. Doch genug der prosaischen Rutschtheorie.
Mächtige Massen Schnee lagen noch in den Hochalpen. Auf dem Oberstaffel der Fläscheralp war der eine Schopf noch ganz unsichtbar, und der andere guckte erst mit seinem Frontgiebel ein wenig hervor. Also Schneetiefe 3-5m.
Hinaus über die blendende Fläche mit blumigen Inseln voll blühender Azaleen, Anemonen, Androsaceen, Aurikeln, Primeln, Seidelbasten, Soldanellen, Gentianen, Veilchen, Ranunkeln usw. Sprudelnde Quellen, Durstesqualen stillend. Spuren von Rehen und Hirschen, eines grossen und eines kleinern, aber auch bleichendes Gebein eines dem Hunger, den Elementen oder einer Wunde erlegenen Hirsches. Memento mori. – Hinaus ins ergrünende Stürvis mit seinen roten Felswänden und dem breiten weissen Silberband des Jesbaches. Stürvis, das verschwundene Dorf mit seinen sinnigen Sagen von Liebe und Treue, von Oswald und Elly, vom Seewiser Jüngling und seiner Montavoner Spusa. Hinaus über gewaltige Lauen, über rauschende Bäche riesige Brücken bildend, und über vom Wind und Schnee geworfene Tannen ins verschüttete Ganei, Geschichten von Kriegsgetümmel in den Gebirgen gedenkend. Aus den Ruinen des von den Österreichern 1799 zerstörten Bades grünen mächtige Bäume empor. Die Heilquelle mit ihren wunderbaren, Leben weckenden Wirkungen werde wieder gefasst und nach Seewis geleitet. Über die neugebaute Brücke auf neuem weichem Weg durch Wald und Wiesen über rauschende Wasser hinaus ins windgeschützte sonnige Seewis, ins Hotel Scesaplana zu Genüssen der Kulturwelt.
Pardisla Maienfeld, leb wohl, Vater Enderlin, auf Wiedersehen! (Johann Baptist Stoop)
Jahrbuch 1896-97
Sektion Piz Sol. Sektionstouren: …. Falknis, offizielle Anerkennung des Enderlinweges, …
Alpina 1901
Sektion Piz Sol. … Drüben am rechten Ufer des Rheins grüsst der Falknis herüber nach Ragaz; neben ihm die steilen Wände des Gleckhorns. – Für Touristen untrennbar vom Namen Falknis ist der Name Enderlis. Die Weganlage des greisen und noch so rüstigen Führers ist ein Muster in ihrer Art, und das von ihm nach Art einer Clubhütte erstellte Bargün-Häuschen (1400 m ü. M.) nimmt gastfreundlich den müden Wanderer auf. …
Jahrbuch 1903-04
Sektion Piz Sol. … Nicht vergessen wollen wir auch in unserm Jahresbericht des Führerveteranen Herrn Fortunat Enderlin in Maienfeld, der kürzlich seinen 80. Geburtstag feierte und dessen Rüstigkeit und froher Sinn noch beredtes Zeugnis gibt von dem Jungbrunnen der Bergsteigerei.
Jahrbuch 1914-15
Von einer Lawine in die Tiefe gerissen und mitsamt dem ganzen Hüttendörfchen Bargün vernichtet wurde ferner im Frühjahr 1914 die Enderlin-Hütte am Falknis. Sie war kein Aktivum im Immobilienkonto des S. A. C., sondern Privateigentum von Bergführer Enderlin in Maienfeld, der diesen für die Falknisbesteigung wichtigen Stützpunkt den Mitgliedern des S. A. C. seit vielen Jahren unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte. Mit der Registrierung dieses bedauerlichen Vorkommnisses verbinden wir den herzlichsten Dank an Papa Enderlin für die unsern Mitgliedern so oft und so gern erwiesene Gastfreundschaft.
Alpina 1915
Falknishütte. Vom 10./11. Januar 1914 ist die «Enderlinhütte» am Falknis durch eine mächtige Lawine weggefegt worden. Bergführer J. P. Enderlin, Sohn des bekannten alten Bergführers, hat nun ca. 50 m weiter oben, auf aussichtsreicher Warte, eine neue gemütliche Unterkunft erstellt. Das neue Heim ist in Rundholz aufgeführt und inwendig gut ausgetäfert. Die Pritsche, mit duftigem Bergheu und Decken versehen, bietet Raum für 10 – 12 Personen. Kocheinrichtung und das nötige Koch- und Essgeschirr sind vorhanden. Enderlin stellt die neue Unterkunft gleich wie früher die alte allen Touristen zur Verfügung. Für das Uebernachten ist pro Person eine Taxe von 50 Cts. und für die Benützung der Kocheinrichtung tagsüber, also ohne Uebernachten, eine solche von 10 Cts. in die Hüttenkasse zu legen. Holz ist genügend vorhanden.
Ich möchte bei diesem Anlasse die Sektionen, welche s. Z. an der Besprechung in Maienfeld vertreten waren, ersuchen, dem Erbauer die damals votierten Beiträge zukommen zu lassen. Enderlin hat da eine Unterkunft geschaffen, an der jeder Clubist seine Freude haben wird.
(R. T., Rhätia S. A. C.)
Alpina 1915
Falknishütte (Enderlihütte) 1500 m. ca. 3 Std. ob Maienfeld od. Ragaz. Bundesfeier 1. Aug. 1915.
Die Sektion Kamor hatte auf diesen Tag eine Sektionstour auf den Falknis (2566 m) auf dem Programm; dieselbe ist ausgeführt worden, um die Bundesfeier auf dieser Hütte feiern zu können. Zu allgemeinem Erstaunen fanden sich nebst dem Besitzer der Hütte, Herrn Enderli jun., 65 Jahre alt, auch noch dessen Vater, 92 Jahre alt, ein, früher Bergführer und Ersteller des nach ihm genannten Wegleins auf den Falknis. Vater Enderli bezeugte grosse Freude ob unserm vaterländisch gesinnten Vorhaben und er fügte hinzu, dass er diesmal wohl das letzte Mal auf dieser Höhe Bundesfeier halte; denn gar steil und anstrengend sei der Weg auf die Falkniswand. Die Freude wurde noch grösser, als wir die kleine, recht heimelige Hütte lange rot und grün bengalisch beleuchteten, aber auch einen wackern Funken haben wir mit Herrn Enderli jun. angezündet, welcher weithin sichtbar sein musste und Zeuge war, dass wir das hehre Schweizerland hochhalten. Dem Vater Enderli aber mögen noch viele Jahre beschieden sein. Die Hütte ist ein Ideal im Sinne des S. A. C.
(Tobias Dierauer, Berneck)
Alpina 1918
Totenliste. Anfangs Mai starb in Maienfeld der bekannte Bergführer Fortunat Enderlin im Alter von 93 Jahren. Der Verstorbene hatte eine ausserordentliche Liebe zu den Bergen und verstand es auch, andere für die Berge zu begeistern. In seinem edeln Streben baute er ganz allein, auf eigene Kosten, einen Weg zu den Wänden des Falknis hinauf und richtete eine Heuhütte auf den sogen. Bargün als Clubhütte ein. Selten hat ein Mann aus dem Volke den Bergen soviel Freude abgewonnen.
Alpina 1919
Totenliste. In Maienfeld starb der bekannte Bergführer Enderlin, über welchen in der «N. Z. Z.» folgendes berichtet wird: Das Falknisgebiet hat durch den in den ersten Tagen des neuen Jahres erfolgten Tod des in weiten Kreisen der schweizerischen Touristen rühmlichst bekannten Bergführers Joh. P. Enderlin einen schweren Verlust erlitten. In den sonnigen Maitagen des vergangenen Jahres wurde sein Vater, der um seine Heimat verdiente Bergführer Fortunat Enderlin, nach vollendeten 94 Lebensjahren auf dem Friedhof in Maienfeld zur letzten Ruhe gebettet, und schon heute folgte ihn sein Sohn und Nachfolger im Bergführergewerbe im Tode nach. Eine Grippe-Lungenentzündung hatte den 67 Jahre alten, scheinbar felsenstarken Mann geknickt. Auch sein Verdienst ist die durch Weg- und Hüttenanlagen erweiterte Erschliessung des Falknisgebietes. Zu früh ist der bleiche Tod an den begeisterten Freund seiner schönen heimatlichen Berge herangetreten. Seine Freunde werden den treuen, zuverlässigen Bergführer in Andenken bewahren.
Alpina 1922
Enderlinhütte. Die Sektion Piz Sol hat die Touristenunterkunft am Falknis, bekannt unter den Namen «Enderlinhütte», käuflich erworben und hält sie für die Mitglieder der andern Sektionen zu den gleichen Bedingungen wie für Sektionsmitglieder offen.
Die Hütte wurde 1914 vom verstorbenen Bergführer Enderlin in Maienfeld erstellt. Sie liegt auf ca. 1450 m Höhe bei den sog. «Bargün» am Südhang des Falknis, ist von Ragaz und Maienfeld in 3 Stunden auf rotweiss markiertem Wege zu erreichen. Das Hüttchen bietet 10 Personen Raum zum Schlafen und dient der Besteigung des Falknis, Schwarzhorns und Gleckhorns.
Aus dem Hüttenbuch der alten Enderlinhütte:
Übernahme und 1tes Betriebsjahr 1922.
Viel Berühmtes ist in unserm neuen Bergheim nicht passiert.
Die Hütte wurde damals in dem Zustande übernommen wie sie sich zeigte.
Über die Besucherzahl im vergangenen Sommer können wir nicht mit sorgfältigem Aktenmaterial aufrücken, da das Hüttenbuch zu verschiedenen Malen von unbekannten Händen verschleppt wurde. Ebenfalls ist aus dem Bestand der Kasse kein Schluss zu ziehen, da dieselbe 3mal aufgebrochen wurde und der Inhalt derselben in fremde Hände wanderte.
Hingegen können wir das sagen, dass sie immer mehr als Touristen-Unterkunftsort benützt wird.
Um den Unfug der Beraubung der Kasse zu steuern ist beabsichtigt eine einbruchssichere Kasse zu montieren.
Ebenfalls wird diesen Frühling neues Heu, zur Hebung des Confortes und zur Beseitigung der beissenden Zustände, hinauftransportiert.
Hoffen wir auf einen etwas besseren Sommer.
(Der Hüttenchef: Steiner Emil)
Eintrag vom 29./30. Mai 1929
Hütten-Inspection und -Restaurierung. Das Hütten-Inventar erneuert um:
6 neue Wolldecken
1 Verbandskiste mit nötigen Medikamenten
6 Suppenteller
6 Tassen
6 Gläser
6 Esslöffel
6 Gabeln
2 grosse Milchkrüge
1 Suppenschöpflöffel
Die fehlende Fensterscheibe und Axt ersetzt.
2 Aschenbecher und 2 Pfannenribeli, Lappen für Geschirr
Die Hüttenbesucher werden gebeten mit dem Hüttenmaterial sorgfältig umzugehen, sowie die vorgeschriebenen kleinen Hüttentaxen einzuzahlen, umsomehr ja der Ertrag, der zur Verbesserung der Hütte verwendet wird, wieder den Hüttenbesuchern zu gute kommt.
Da für Brennholz nichts kassiert wird, sind die Hüttenbesucher gebeten, den Brennholz-Vorrat nach Möglichkeit zu ergänzen.
(Hans Dové S.A.C. Piz Sol Obmann der Enderlinhütte Ragaz)
Eintrag 10./11. Oktober 1931:
Bei der Hüttenkontrolle am 10./11. Oktober musste leider konstatiert werden, dass neuerdings 3 neue Decken fehlen. Es sind von den 12 neuen Decken nur noch 3 vorhanden.
(Hüttenobmann: Fritz Schwendener)
11. Oktober:
Um 1 Uhr vom Falknis via Gyr zurück, und noch Holzvorrat erneuert.
Jeder Besucher sollte es sich zur Ehrenpflicht machen, bei trockenem Wetter den Holzvorrat so viel als möglich zu ergänzen.
Eintrag 22. November 1931:
Hüttenkontrolle. Hütte für den Winter hergerichtet.
Pro 1931 laut Bucheintrag total 181 Besucher, davon 36 SAC Mitglieder und 8 Junioren
(Fritz Schwendener, Maienfeld, SAC Piz Sol)
Eingebundener Zettel:
An die Besucher der Enderlinhütte:
Die Art und Weise, wie das Hüttenbuch bis jetzt geführt wurde, macht eine zuverlässige Kontrolle über die Anzahl der Besucher und die einbezahlten Beträge zur Unmöglichkeit. Die Besucher sind daher höflich gebeten, ihre Eintragungen klar und im vorgesehenen Raum zu machen.
(Der Hüttenchef: Fritz Schwendener)
Eintrag vom 19. August 1932: Zur Orientierung!
Der Erbauer dieser jetzigen Enderlinhütte war: Johann Peter Enderlin, Bündte Maienfeld, Sohn des meisterlichen Fortunat Enderlin, der die alte Hütte und den Weg erstellte. Gestärkt durch seine grosse Liebe zum Falknis, hat er allein die grosse Arbeit ausgeführt und das Holz für den Hüttenbau auf seinen Schultern hier herauf getragen. Schweisstropfen perlten an seiner Stirn, weil die Last jeweilen sehr gross war, Hans Stocker, der spätere Wirt im Annahof war sein Arbeiter, den er aber von sich aus belohnte. Also auch die finanzielle Seite hatte Johann Peter Enderlin zu bestreiten. Schon im Jahre 1919 wurde der treue Falkniswart von der Grippe dahingerafft, zu früh für das liebe traute Hüttlein und zu früh für uns Hinterbliebene. Manches Augustfeuer habe ich mit ihm hier oben entfacht! Er ruhe in Frieden, der Sohn vom Falknis!
(Frieda Hintermann-Obrecht, Küsnacht ZH, Enkelin des J. P. Enderlin)
Eintrag vom 9./10. September 1932:
Es musste das Fehlen von 2 Decken konstatiert werden.
Die geschätzten Touristen sind ersucht, vorhandene Mängel an Hüttenchef Fritz Schwendener, Buchs zu melden, damit für Abhülfe gesorgt werden kann.
(Fritz Schwendener, Hüttenkontrolle, Hüttenobmann)
Eintrag vom 25. September 1932:
Die Besucher vom 23. September haben eine Unordnung zurückgelassen. Anständige Besucher lassen sich derartige Gemeinheiten nicht zu schulden kommen.
(Fritz Schwendener, Hüttenchef, Hüttenkontrolle, Materialtransport)
Piz Sol Klubnachrichten, I. Jahrgang, Nr. 2, Februar 1937
Frondienst am Enderlihüttli am Falknis am 1. November 1936
Ein prächtiger Spätherbstmorgen ist angebrochen, in allen Farben prangt der Wald, den Berg- und Naturfreund beglückend. Er weiss ja, der Wald stirbt nicht, hinter jedem bunten Blatt rüstet sich und schwellt bereits eine neue Knospe, neues Leben und Blühen verheissend. Von Balzers her schnaubt ein Auto der Steig zu und verschwindet geheimnisvoll im noch in tiefster Sonntagsruhe träumenden Steigwald. Soeben flitzt auch ein Töff heran und wendet dem gleichen Ziel zu. Dazu kommen einige Velofahrer, ja sogar die zur seltenen Spezies gewordenen Fussgänger sind vertreten. Von Maienfeld her ächzt ein Lastwagen mit Brettern, Werkzeug und Männern beladen dem Glecktobel zu. Was ist denn heute los da oben? Ist etwa eine Grenzschutzübung im Gang? Keine Spur, die „Piz Söler“ sind es, die sich in den Kopf gesetzt haben, die herrschende Arbeitslosigkeit noch zu verschärfen. Die Enderlihütte soll auf möglichst billige Art renoviert werden. Beim Enderlistein sammelt sich die abenteuerlich aussehende Gesellschaft, 20 Mann stark, um einen etwas kurzen, dafür umso breiter geratenen Mann. Auch ein Nichteingeweihter hätte sofort erkannt, dass er unter den Anwesenden ziemlich viel zu sagen hat. Mit sympathischem Lächeln (oder war es ein Grinsen?) schaut er zu, wie sich diese Gestalten mit Bretterbürden und Werkzeug beladen. Er bedenkt, wie schnell sich diese jauchzend beladende Schar in eine stumme, schwitzende Einerkolonne verwandeln werde. Und fürwahr, es ist keine Kleinigkeit, bei Neuschnee den Enderliweg unter die Füsse zu nehmen und dazu drückt die Last auf die, meist nicht für diese Arbeit gewachsenen, Achseln. Manch einer hat sich im stillen gefragt, was wohl den Erbauer dieses Weges veranlasst habe, denselben in solch rabiaten Windungen empor zu führen. Endlich kommt der erste Halt, schmerzlich erwartet. Verlangend richten sich unsere Blicke nach den frischverschneiten, in der Morgensonne leuchtenden Sarganser- und Bündnerberge. Man sieht es unsern Skikameraden an, wie sie mit den Augen die Schneehalden abspähen, die Abfahrtsmöglichkeiten berechnen und sich dorthin wünschen. Hinter unseren Rücken ein ganz anderes Bild, welch ein Kontrast! Durch einzelne Tannengruppen hindurch schauen aus fast unwirklicher Höhe herab das Gleckhorn und die Türme, eine Dolomitenlandschaft vortäuschend, im Schatten stehend, drohend und abweisend. Ich gedenke des Mannes, der vor Jahren die Kühnheit besass, diese Westwand in einem Zuge zu durchsteigen. Doch wir müssen weiter, denn heute gehts ja nicht zum Vergnügen in die Berge, sondern zum Arbeiten. Nach vielen Windungen endlich kommt von vorn die Meldung, es bessere und richtig, wir haben jenen Punkt erreicht, wo das Hüttli zum Vorschein kommt.
Nach einem Imbiss geht es ohne Kommando an die Arbeit, so gut sind die „Piz Söler“ erzogen. Steine rüsten und transportieren soll eine Abteilung. Wir ziehen los, an der Spitze der Kolonne die „Steinrüster“. Jeder macht was er kann und es ist köstlich anzusehen, wie der Vizeammann dem Steinrüster den 50 Kiloblock abnimmt und denselben mit unvermindertem Gewicht an den „Mineralwasserfabrikanten“ abgibt. So häufen sich schnell die Steine an jener Stelle, von wo sie mechanisch transportiert werden können. Schon langen sie an jene Mannen, die diese Arbeit zu leisten haben. Jeder hat in der Hand einen wedelnden Palmzweig, nein einen Tannast, den „Fredy“ gehauen hat. Mit diesen improvisierten Schlitten geht die Arbeit famos und wird stellenweise zum Vergnügen, namentlich für diejenigen, welche einen breit ausladenden Ast erhalten haben. Er hat scheints doch noch „günstelet“, der Fredy. Manch interessanter Fall wickelt sich ab auf dieser schmalen Bahn, denn unsere gewichtigen Passagiere haben zuweilen Ausreissgelüste. Aber oha, so leicht geht das nicht, mit vereinten Kräften und lautem „Ho-ruck“ werden sie angeseilt und wieder hinaufgezogen. Auch hier die „reinste Demokratie“. Der zartbehandete Bankbeamte springt dem robusten Landwirt bei, der Malermeister hilft dem Schreiner, der Kaminfeger stemmt Schulter an Schulter mit dem Architekten. Sogar der Chefspediteur vertauscht seine Kalkulation mit dem Werkzeug des Pfahlbauers. In kurzer Zeit liegt ein Zweispänner gerüsteter Steine beim Hüttli und laut ertönt der Ruf „Halt“.
Unterdessen geht eine eigentliche Wühlarbeit rings um die Hütte los. Bald sind die faulen Balken entblösst. Hartnäckig und verbissen wird gearbeitet, um die Hütte herum häuft sich eine Geröllmasse, die nur mit akrobatischen Sprüngen überquert werden kann. Alle scheinen nur einen Willen zu haben, von dem mit einem Doppelmeter bewaffneten Pädagogen nicht Faulenzer geschimpft zu werden. Unser Hüttenwart Senti kocht mit Eifer Tee, um die durstigen Seelen zu laben. Aus was er ihn gemacht hat, entzieht sich meiner Kenntnis, denn niemand hat auf Befragen solchen herauf getragen. Jedenfalls war er gut, ob aber allenfalls anwesende Abstinenten der gleichen Ansicht gewesen wären, bezweifle ich, sie hätten wahrscheinlich den Namen Tee deplaziert gefunden. Inzwischen hüpft um die Hütte herum ein kleines Männlein, misst hier etwas, schätzt dort ab, schreibt und rechnet. Dieses eigentümliche Tun fällt uns Schwerarbeitern auf und schon sind wir etwas gegen ihn eingestellt, denken, der wolle seine Lorbeeren auf diese leichte Art erwerben. Da fällt das Wort, das sei unser Vereinsarchitekt und sein Tun bezwecke das Hereinholen einer Subvention vom Zentralkomitee. Das versöhnt uns wieder mit seinem Tun. Nun verschwindet die Sonne hinter dem Piz Sol und fast gleichzeitig unser Arbeitswille. Irgend ein „Bergaufwind“ hat einen sonderbaren, in diesen Höhen ganz seltenen Duft heraufgebracht, alle schnuppern in der Luft herum und schütteln die Köpfe. Da erklärt Florian, der Werdenberger, das Produkt der Aktienbrauerei rieche so fein!
Nun ist kein Halt mehr, die noch fällige Rede des Präsidenten wird ignoriert und im Sturm gehts dem Glecktobel zu. Mit was für einer Rasanz der Abstieg vor sich ging, beweist der Umstand, dass einem Kameraden ein Ast ins Gesicht sprang und ihn erheblich verletzte. Aber zu was haben wir Samariter. Im Nu kunstgerecht verbunden und rasch abwärts. Nachdem noch zwei Klubisten ihre Abstammung nach Darwin bewiesen, indem sie auf ungewöhnlichem Weg die Rüfi übersetzten, sammelte sich die ganze Gesellschaft in der warmen Stube der Steigwirtschaft, wo dem Maienfelder alle Ehre angetan wurde. In trautem Plaudern vergeht rasch die Zeit und bald heisst es heimwärts ziehen. Ein kräftiger Händedruck und auf Wiedersehen, sei’s bei der Sektionsarbeit oder auf froher, freier Bergfahrt.
(Robert Rohrer)
Der Piz Sol. Nachrichten der Sektion Piz Sol, Nr. 8, September 1955
Nach geologischer Begutachtung und nach menschlichem Ermessen sollte der grosse Enderlinstein allen Einflüssen trotzen und auch der neuen Hütte vor Steinschlag und Lawinen Schutz gewähren. Nachdem die Arbeiten in vollem Gange waren, zwar durch schlechtes Wetter und verspäteten Seilbahnbau etwas verzögert, stand das Fundament und die bergseitige Mauer. Über Nacht rutschte der Enderlinstein durch Untergrabung und Absprengung gelockert, nach vorn und drückte die Mauer ein. Eine Besichtigung und Beurteilung ergab nun, dass der Enderlinstein gänzlich gesprengt werden muss und an seine Stelle eine starke Stützmauer treten muss.
(Jakob Frigg)
Der Piz Sol. Nachrichten der Sektion Piz Sol, Nr. 10, Dezember 1955
Mitte Oktober trafen sich Arbeiter und Vertreter der Sektion und der Baufirma zum üblichen Aufrichtmahl. In gemütlichem Gespräch erfuhr man dabei manch Interessantes von der Bauarbeit, die den Beteiligten „Freuden und Leiden“ brachte. Eine besonders plastische Schilderung erhielten wir von jener fatalen Nacht, die den Stein „ins Rollen“ brachte. Wir möchten sie unsern Mitgliedern nicht vorenthalten und geben sie so gut wie möglich aus dem Gedächtnis wieder:
An jenem Dienstagnachmittag regnete es unaufhörlich. Was blieb uns anderes zu tun als zu jassen! Am Abend krochen wir früh ins Stroh. Eine leichte Magenverstimmung liess mich jedoch nicht recht einschlafen, und ich wälzte mich unruhig hin und her. Nach 11 Uhr machte ich mich schliesslich mit dem Gedanken vertraut, das warme Lager für einige Zeit mit einem Örtchen in der feuchtkalten Frischluft zu vertauschen. Bevor ich aber den Entschluss gefasst hatte, schreckte mich ein merkwürdiger, dumpfer Knall. „Jetzt ist etwas geschehen“, ging es mir durch den Kopf. Rasch stand ich auf, tastete nach der Taschenlampe und stolperte zur Türe. Kalter Nebel lag draussen, ich sah keine fünf Meter weit. Unwillkürlich zog es mich zur nahen Baustelle, wo wir vor kurzem mit der Erstellung der Grundmauern begonnen hatten. Der Lichtstrahl huschte über die Baustelle hinweg und blieb dann wie gebannt an derselben Stelle. Was ich kaum zu denken gewagt hatte, war Tatsache: ein dunkler Schatten wölbte sich weiter als sonst über die Baugrube vor, der Block (in dessen Schutz die alte Hütte stand und die neue weiterhin stehen sollte), war fast um einen Meter abgerutscht. Hastig eilte ich in die Baracke zurück. „Meine Herren, der Stein ist gekommen!“ Mein Anruf löste nur missmutiges Gebrummel aus, meine weiteren Beteuerungen stiessen auf Unglauben. Schliesslich bequemte sich ein Kamerad zu einem Augenschein, und nun erst erwachten die andern ganz und tappten halb angekleidet hinüber. Es war kein Zweifel, das Unglück war geschehen. Die hintere Mauer, die schon fast brusthoch ausgeführt war, lag zerdrückt unter dem mächtigen Block. Wir konnten uns immerhin glücklich schätzen, dass uns der „Rutsch“ nicht bei der Arbeit überrascht hatte. – Regen setzte von neuem wieder ein, wir begannen zu frieren. So krochen wir wieder unter die Decken und diskutierten noch lange über den Vorfall.
Am folgenden Morgen stieg einer bei strömenden Regen zur Luziensteig hinunter, um die Meldung telephonisch weiterzugeben. Schon eine Stunde später waren Bauführer und Hüttenchef zur Stelle und liessen sich durch den „Meldeläufer“ die Situation schildern. Es wurde beschlossen, die Arbeiten vorläufig einzustellen. Gegen Mittag stiegen die Arbeiter mit ihren Siebensachen und den drei Geissen ab. Der Bach im Gleckbachtobel war inzwischen hoch angeschwollen. Das Übersetzen war ein Abenteuer für sich, und es sollen dabei nicht nur die Ziegen nass geworden sein!
(Jakob Frigg)
Der Piz Sol. Nachrichten der Sektion Piz Sol, Nr. 6, Juni 1956
Einweihung der neuen Enderlinhütte am 3. Juni 1956
Zuerst möchte ich des Mannes gedenken, dessen Namen die Hütte trägt: Bergführer Fortunat Enderlin von Maienfeld. Sie werden seinen Namen kaum in einer alpinen Chronik finden. Er lebte noch zur Zeit, da es, wie Christian Klucker in seinen Erinnerungen eines Bergsteigers schreibt, genügte, Seil und Pickel zu kaufen und sich Führer zu nennen. Was mir an diesem Manne gefällt, das war seine Liebe zum heimatlichen Berg, zu seinem Falknis; die Unternehmungslust, mit welcher er das bescheidene Bergsteigerheim baute, und vor allem der Blick und die Beobachtungsgabe, die ihn den einzig sichern Standort wählen liessen, ihn, der sicher nichts wusste von der Metamorphose des Schnees, von Kriechschnee, Gleitschichten und Spannungszonen innerhalb der Schneeauflage.
Wenn ich sein Hüttchen bescheiden genannt habe, so waren das sicher auch die Touristen, die er geführt hat. Der Umstand, dass es im Anfang des 20. Jahrhunderts in unserem Klubgebiet noch Bergführer in Gassaura, Valens, Vättis und Weisstannen gab, beweist klar, dass die damaligen geführten Touristen zur Hauptsache sich aus Kurgästen von Ragaz rekrutierten. Dass auch die gesteckten Ziele bescheiden waren, zeigt uns ein alter Bergführertarif der Sektion Piz Sol, in welchem Besteigungen von Vasanenkopf, Schlösslikopf und Tagweidlikopf aufgeführt sind, Höger, die man heute mühelos mit den Bergbahnen erreicht, deren Bahntaxen aber höher sind, als damals die Kosten für einen patentierten Führer.
Mit dem Tode des Erbauers verwahrloste die Hütte, da niemand mehr für deren Unterhalt sorgte. Als mir 1922 zu Ohren kam, dass die Witwe geneigt wäre, die Hütte an den SAC zu verkaufen, setzte ich mich als unternehmungslustiges, junges Vorstandsmitglied aufs Velo und radelte nach Maienfeld, um mich nach den Verkaufsbedingungen zu erkundigen. Und zagen Herzens stellte ich in den nächsten Vorstandssitzung den Antrag, die Hütte zum geforderten Preis von Fr. 1500.– zu kaufen. Zagen Herzens habe ich gesagt, denn als Präsident waltete kein geringerer als Dr. Robert Helbling, der Mann, der als einer der ersten Führerlosen eine grosse Zahl von Erstbesteigungen in den Alpen, im Kaukasus und in den Anden ausgeführt hatte. Was konnten schon einem solchen Bergsteiger Enderlinhütte und Falknis bedeuten. Aber eine Besorgnis war unbegründet: der Gewaltige war für den Plan begeistert, und die Versammlung stimmte dem Kauf einmütig zu.
Was wollten wir eigentlich am Falknis droben? Nichts anderes als eine bescheidene Unterkunft. In einer Zeit, da die Ansprüche der Bergsteiger immer höher gestiegen, gelangten wir mit unsern Plänen an das C.C. Glarus. Und die erste Reaktion des damaligen Hüttenchefs war: „Endlich einmal ein bescheidenes Projekt!“
(Auszüge aus der Ansprache von Hans Schmid)
Der Piz Sol. Nachrichten der Sektion Piz Sol, Nr. 7, Juli 1956
Bericht des Architekten
Das Bauprogramm sah vor, die neue Hütte etwas grösser als die alte zu bauen. Grundsätzlich sollte die Anzahl der Schlafplätze gleich der Anzahl der Sitzplätze, d.h. 25 : 25 sein.
Die Konstruktion sollte als Blockbau ausgeführt werden. Diese Bauweise ist gegenüber der Riegelkonstruktion stabiler, was im Hinblick auf Schneedruck und Lawinen wichtig ist, sie ist auch unempfindlicher gegen Witterungseinflüsse und nimmt Rücksicht auf die örtliche Bauweise und das Landschaftsbild. Zwecks Isolation vom Bergdruck musste die hintere Front vom Berg getrennt werden. Der Innenausbau sollte einfach, bescheiden und zweckdienlich sein. Auf eine solide Bedachung, bestehend aus Schalung, Isolierschicht mit Flumser Steinwollmatten und einem Lärchenschindelschirm wurde besonders geachtet.
Baugeschichte. Ein erstes Projekt auf Grund des vom Vorstand, bezw. der Enderlinkommission ausgearbeiteten Programmes enthielt noch ein Satteldach. Der revidierte Entwurf vom 27. November 1951 hingegen sah eine Konstruktion mit Pultdach vor und bildete die Vorlage für die Ausführung. Die Vorteile des Pultdaches sind mannigfach: guter Schutz gegen eventuelle Lawinen und gegen Steinschlag, weil günstig an den Berg angelehnt und kein vorspringender First; bessere räumliche Gestaltung und Raumausnützung im Innern, namentlich im Schlafraum des Obergeschosses.
Auf Grund des von allen Instanzen (Sektion, Hüttenkommission, Central-Comité, Abgeordneten-Versammlung, Gemeinde Maienfeld) genehmigten Bauprojektes wurde am 25. Mai 1955 mit dem Abbruch der alten Hütte und damit mit den Bauarbeiten begonnen. Vom Material der alten Hütte konnte eine Baracke als Unterkunft für die Arbeiter und als Magazin für die Lagerung von Werkzeugen, Bindemitteln usw. erstellt werden. Die Erstellung der Materialseilbahn verzögerte sich etwas, doch machten die Arbeiten in den darauffolgenden Wochen gute Fortschritte, und es konnte die Fertigstellung der Hütte bis Herbst 1955 erwartet werden.
In der Nacht vom 26. auf den 27. Juli 1955 rutschte ganz unerwartet der zirka 90 Tonnen schwere Felsblock hinter der Baustelle ab. Damit war die Voraussetzung des Schutzes gegen die Naturgewalten nicht mehr vorhanden. Wir standen damals vor einer vollständig neuen Situation, die ursprüngliche Konzeption wurde über den Haufen geworfen. Es ergab sich die Alternative: Baueinstellung oder Fortsetzung mit erheblichen Mehrkosten. Man gelangte zum schweren Entschluss und Beschluss, an Stelle des schutzbietenden Felsblockes eine grosse Schutzmauer zu errichten. Die vor Baubeginn erfolgte geologische Begutachtung hatte dahin gelautet, dass der Felsblock sicher sitze und dass der geplante Hüttenbau ohne Bedenken erfolgen könne. Die Praxis hat uns gezeigt, dass immer mit dem schlimmsten Fall gerechnet werden muss.
Die Kosten für die zusätzlich notwendig gewordene Stützmauer wurde durch die Bauunternehmung damals mit zirka Fr. 9’000.– berechnet. Durch zusätzliche Bauinstallationen, vermehrte Transporte mit der Seilbahn, grösseren Aufwand für die Wasserbeschaffung, Hinterfüllung usw. sind die Gesamtkosten für die Stützmauer auf über Fr. 20’000.– gestiegen. Damit war auch in finanzieller Hinsicht eine recht unerfreuliche Situation entstanden. Die Gesamtbaukosten der neuen Hütte – die Rechnungen liegen zur Zeit noch nicht vollständig vor – werden sich im Rahmen von zirka Franken 60’000.– bewegen.
Die ohne jeglichen Unfall erstellte neue Enderlinhütte ist mit grossen unerwarteten Schwierigkeiten gebaut worden. Sie möge dem Zweck als Schutzhütte auf lange Zeiten dienen, und es möge ein guter Stern über dem Werk walten.
Bericht des Architekten, Herrn Adolf Urfer, Bad Ragaz über den Bau der Enderlinhütte (nach seinen Stichworten von Jakob Frigg zusammengestellt)
Der Piz Sol. Nachrichten der Sektion Piz Sol, Nr. 7, Juli 1956
Eine Stimme der Nachfahren Enderlins
Am 7. Juli 1956 war die Urenkelin Fortunat Enderlins, Frau Vreni Zindel-Obrecht, mit ihrem Töchterchen in der Enderlinhütte. Wir geben nachstehend ihre Eintragung im Hüttenbuch wieder:
„Fortunat Enderlin baute die erste Hütte im Jahre 1900. Nur kurze Zeit durfte sie als Unterkunft dienen, dann donnerte eine mächtige Lawine zu Tal und riss sie in die Tiefe. Einige Jahre später baute sein Sohn, Hans Peter Enderlin, die zweite Hütte, die im Jahre 1955 abgerissen wurde. Sie war der Lieblingsort meines Grossvaters, und unendliche Schweisstropfen opferte er für die Mitmenschen, denn sämtliches Hütteninventar trug er auf dem Rücken herauf. Jeden Sonntag stieg er zu seinem Hüttlein empor, wo er Erholung fand nach strenger Arbeit. Im Jahre 1914 war Urgrossvater Fortunat Enderlin anlässlich seines 90. Geburtstages zum letztenmal auf seinem geliebten Falknis, nahm Abschied für immer. Im Jahre 1918 mit 94 Jahren ging er zur ewigen Ruhe ein. 1919 folgte ihm sein Sohn, Bergführer Hans Peter Enderlin, mit 68 Jahren in den Tod. Die wütende Grippe forderte den zähen Bergsteiger, und schweren Herzens nahm er Abschied von seiner Hütte, die er Gott befahl und uns hinterliess. Meine Mutter übergab sie der SAC-Sektion Piz Sol zur Betreuung. Leider genügte sie den Anforderungen nicht mehr, und es wurde eine neue, schöne Hütte erbaut. Im Namen meiner Ahnen danke ich den Erbauern, und mit Stolz darf sie den Namen Enderlinhütte weiter tragen. Möge sie der Allmächtige vor Naturgewalten erhalten, damit sie vielen Bergfreunden lange Jahre hindurch als Unterkunft diene.“
Der Piz Sol. Nachrichten der Sektion Piz Sol, Nr. 9, September 1956
Um unsere Klubhütten, besonders die Enderlinhütte
Das prächtige Herbstwetter brachte unseren Hütten nochmals regen Besuch. Erfreulich gut besetzt war über das Wochenende jeweils die Enderlinhütte; eine Reihe von Sektionen und sogar eine Sektion des Frauenalpenklubs lernten unser teures Schmuckkästchen am Falknis kennen, Jugendgruppen und Familien, Einheimische und Freude freuten sich an unserem Heim, die Hüttenwarte hatten jeweils vollauf zu tun.
(Jakob Frigg)
Piz Sol. Klubnachrichten der Sektion Piz Sol, Nr. 4, April 1969
Die neue Wasserversorgung der Enderlinhütte
Ihre Entstehungsgeschichte
Schon lange suchten wir nach Wasser, besser gesagt, das Wasserproblem zu lösen. Bereits beim Bau der neuen Enderlinhütte war die Wasserfrage höchst aktuell. Ihre Lösung scheiterte aber am fehlenden Geld. Niemand behauptete, die Quelle unter der Hütte sei schlecht, im Gegenteil, man muss zu diesem Wasser Sorge tragen. Wasser ist an den Südhängen des Falknis rar. Der Zugang aber ist besonders nachts und für nicht Ortskundige sehr gefährlich. Ausserdem war es an schönen Wochenenden dem Hüttenwart fast nicht möglich, genügend Wasser zu besorgen. Auch wurde die Wasserfassung öfters durch Steinschlag und Lawinen beschädigt.
Am 17. August 1967 beschloss nun im Hotel Rose in Sargans eine ausserordentliche Mitgliederversammlung ohne Gegenstimme einen Kredit von Fr. 15 000.– für eine neue Wasserversorgung der Enderlinhütte.
(Niklaus Saxer)
Piz Sol. Klubnachrichten der Sektion Piz Sol, Nr. 5, Mai 1969
Die neue Wasserversorgung der Enderlinhütte
Die zu fassende Quelle befindet sich im Panierwald, gut 500 m westlich der Enderlinhütte. Ihre Fassung stellt keine Probleme. Schwieriger gestaltet sich die Herleitung des Wassers. Die Wasserleitung muss im äusseren Tobel an ein Drahtseil aufgehängt werden. Sonst lässt sich die Leitung ohne grosse Schwierigkeiten im Boden verlegen. Neben der Hütte ist ein Brunnen vorgesehen. Das Abwasser wird sodann durch ein neues WC und von dort durch eine Abwasserleitung ins Tobel hinunter geleitet. Der Kostenvoranschlag der Bau AG in Maienfeld für die Bauarbeiten beläuft sich auf rund Fr. 9 500.–. Dazu kommen Materialkosten im Betrage von Fr. 3 000.–. Für den Transport mittels Helikopter müssen weitere Fr. 3 000.– eingesetzt werden. So kamen wir auf eine Gesamtsumme von Fr. 15 500.–. Das CC bewilligte nachträglich einen Kredit von max. 40%.
Damit war auch offiziell das Startzeichen zum Beginn der Bauarbeiten gegeben. Die Baukommission beschloss dann, die Arbeit zum grossen Teil mit eigenen Mitteln und Kräften auszuführen. So wurde an offiziellen und nicht offiziellen Arbeitstagen tüchtig gearbeitet. Anlässlich der Herbsthauptversammlung 1967 konnte mitgeteilt werden, dass die Wasserleitung im Zwischenstück bereits verlegt sei. Über das erste Tobel bei der Hütte konnte die Leitung auch im Boden geführt werden. Die Wasserfassung war erstellt. Die weiteren Arbeiten sollten im kommenden Frühjahr weiter geführt werden.
Leider gab es im Frühling 1968 eine Verzögerung der Bauarbeiten, teils wegen dem Helikoptertransport. Am 13. Juli endlich war der Helikopter zur Stelle und das Material konnte hinaufgeflogen werden. Am 2. August wurden die Verankerungen für das Tragseil der Wasserleitung über das Paniertobel angebracht. Am 10. August wurde das Seil mit der Wasserleitung über das Paniertobel hoch gezogen und an die Wasserleitung angeschlossen. Am Nachmittag um 15.36 Uhr und 40 Sekunden, der Hüttenwart schleppte eben die letzte Tanse Wasser aus dem Tobel herauf, war der grosse Augenblick, in dem das erste Mal das frische Quellwasser aus der neuen Leitung in den Brunnentrog floss. Am 21. und 22. August wurde dann durch die Handwerker das neue WC erstellt und am 6. September von uns angeschlossen. Es wurde den ganzen Herbst über noch tüchtig gearbeitet. Mit dem restlichen Sand und Zement wurde am 2./3. November der Brunnenstock erstellt und vor der Hütte eine Stützmauer angefangen. Schade, dass man nicht genügend Sand un Zement hinauf transportiert hatte. Am 9. November war es die JO, die wacker Steine hertrug. Am gleichen Tag wurden einige Mängel behoben. Bei der Wasserfassung wurde eine Entlüftung angebracht. Ein Stück weit wurde die aufgehängte Leitung an den Hang verlegt. Der letzte Arbeitstag vom 23./24. November konnte wegen schlechter Witterung nicht mehr durchgeführt werden. Trotzdem wurde die Leitung anders an die Wasserfassung angeschlossen und auch beim Brunnen einige Änderungen getroffen.
Es sind nun noch einige Umgebungsarbeiten beim Brunnen und WC zu erledigen.
Wie ein Augenschein ergeben hat, hat die neue Wasserversorgung den Winter gut überstanden. Hoffen wir, dass sie sich weiterhin bewähre und vor Sturm und Lawinen, aber auch vor bösen Buben bewahrt bleibe.
(Niklaus Saxer)