Vom Kräutersammeln bis zur Schnapsflasche

In den hohen Gebirgen findet man hier fast vorzüglich die vortreflichsten Arzney- und Wund-Kräuter. Aus den weissen Enzian-Wurzeln brennen die Berg-Leute einen sehr starken Spiritus; sie bedienen sich desselben fast bey jeden Krankheiten als einer allgemeinen Arzney, (es mag nun wol oder übel thun) desgleichen als eines Magen-Tranks und Stärkung für den ganzen Cörper.
(Quelle: Johann Conrad Fäsi, Die Grafschaft und Landvogtey Sargans, 1765-1768)

Iva, ein ganz spezieller Spiritus clubisticus:
Unter den Ausrüstungsgegenständen der Clubisten nimmt die edle Schnapsflasche mit unzweifelhafter Berechtigung eine sehr wichtige Stelle ein. Es gestaltet sich daher die Frage, welcher edle Geist ihrer oft unscheinbaren ledernen Hülle einverleibt werden solle, um die eventuell auf dem Rückzug tendirenden Lebensgeister wieder zur Sammlung und zum Vorrücken anzufeuern, zu einer entschieden sehr beherzigenswerthen. Es mag daher an dieser Stelle auf einen erst wenig bekannten, bitter-aromatischen Liqueur aufmerksam gemacht werden, den sog. «Iva» welcher aus der Achillea moschata (in Graubünden Wildfräuleinkraut, romanisch Iva genannt) dargestellt wird. Die Pflanze hat im frischen Zustande einen sehr kräftigen, aber angenehmen, aromatischen Geruch und wächst in einer Höhe von 6-7000’ zwischen granitischem Geröll, namentlich häufig in den südlichen und östlichen Alpen. In Graubünden ist das Ivakraut schon lange zur Darstellung eines beliebten, kräftigen und insbesondere der Verdauung sehr zuträglichen Liqueurs benützt worden, und namentlich bei Jägern u.s.w. in Gebrauch. Ein in neuerer Zeit vom Apotheker Bernhard in Samaden dargestelltes und durch Herrn Affolter-Jenny in Bern in den Handel gebrachtes Fabrikat ist von Fachmännern, wie Prof. Dr. Bolley, Prof. Dr. Schwarzenbach und Staatsapotheker Dr. Flückiger, nach Composition und Geschmack sehr günstig beurtheilt worden und dürfte daher auch wegen seiner der Gesundheit zuträglichen Eigenschaft den Bergsteigern als preiswürdig empfohlen werden. Wir überlassen es übrigens dem geneigten denkenden Leser, sich dafür zu entscheiden, ob im Ivakraute, dem Kinde der hohen Berge, dem auch die Gemsen zugethan sein sollen, neben seinen sonstigen löblichen Geistern nicht noch ein ganz spezieller Spiritus clubisticus innewohnen könnte.
(Quelle: Jahrbuch SAC 1866 Band 3)

Sektion Alvier: … Während der Wintersitzungen wurde beschlossen, einen Versuch zur Einbürgerung der Achillea moschata (Iva) im Alviergebiet zu machen. …
(Quelle: SAC Jahrbuch Band 14 1878)

Section Alvier. … Auf den Grauen Hörnern wurde an geologisch geeigneten Stellen die Achillea moschata angepflanzt; durch freundliche Vermittlung erhielten wir aus dem Engadin und aus Davos über 100 Setzlinge, die Ende August und September versetzt wurden. …
(Quelle: SAC Jahrbuch Band 15 1879)

Section Alvier. … Die letztes Jahr unten am Piz Sol beim Wildsee angepflanzten Exemplare von Achillea moschata wurden in gutem Gedeihen, aber ohne Blüthen, angetroffen.
(Quelle: SAC Jahrbuch Band 16 1880)

Section St. Gallen. … statt dessen hat die Section die Familie eines Mannes, welcher mit der Anpflanzung von Iva (Achillea moschata) im Kalfeusenthal von einer Nachbarsection beauftragt gewesen und bei dieser Beschäftigung verunglückt war, mit Fr. 150 unterstützt. …
(Quelle SAC Jahrbuch Band 17 1881)

Nicht nur die alten Römer und Germanen stritten sich von Alters her in dem Gebiet, das wir unser diesjähriges Clubgebiet nennen, sondern auch die warme Sonne und der Firn. Die Aeusserungen dieses letztern Kampfes erkennen wir in der Pflanzenwelt; wir haben neben und unter einander Gewächse, die den verschiedensten Zonen entstammen, den heissen wie den kalten. Im Rheinthale reift köstlicher Wein und schwere Maiskolben wiegen sich im Winde; dringen wir ein in die Schlucht der Tamina, so grüssen uns dort die Kinder des Hochgebirges, die in diese schattige Kluft hinabgestiegen sind; droben auf den Gräten aber pflücken wir Edelweiss und “wilden Wermuth” (Artemisia spicata). In einem halben Tage durchwandern wir alle Zonen. Der Rheinstrom bringt allerlei Samen herab aus seinen entlegenen Thälern, Alpenblumen blühen friedlich an seinem Ufer neben denen, die von Norden her eingewandert sind, der Pflanzenfreund möchte sich in einen grossen botanischen Garten versetzt glauben, wo er vieles so nahe beisammen findet, das sonst durch Hunderte und Hunderte von Stunden getrennt ist.
(Fridolin Becker: Itinerarium für das Excursionsgebiet des S.A.C. 1888: Graue Hörner – Calanda – Ringelspitz. Glarus 1888, S. 54)

Auch das Edelweiss blüht hinter Gigerwald schon in einer Höhe von 1300 m in grossen Beständen auf Rasen und Felsen. Hoch darüber, mitten in der senkrechten Felswand des Brändlisberg, zieht sich ein Rasenband quer durch den Berg, der sogenannte „Wurzengang“. Dort liessen sich vor dreissig Jahren noch, wahrscheinlich zum letztenmal, einige „Wurzengräber“ von Vättis an Seilen über die obere Wand herab, gruben allda die reichlichen und mächtigen Wurzeln der Gentiana lutea, welche das wohlschmeckende Getränke des „Wißenze“ liefern, und liessen sich mit ihrer Ausbeute abermals über die untere, ebenso hohe Wand hinunter. Ein seltenes Wagestück!
(Quelle: SAC Jahrbuch 1895-96. Aus den Bergen des Taminathales – F. W. Sprecher)

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