Kurfirsten, am 23. und 24. Juni. Nachdem acht Tage früher das Wetter einen Aufschub der Tour veranlasst hatte, fanden sich an den genannten Tagen fünf Mann dazu ein. Einem der Teilnehmer verdankt der Korrespondent folgende Angaben.
Am 23. Juni brachte die Eisenbahn unsere Clubisten abends 6.30 nach Ebnat; ein Wagen führte sie nach Stein, von da ab traten die eigenen Hebelarme in Thätigkeit zur Beförderung nach Unterwasser in fröhlichem Marsch durch das tannengrünne Toggenburg. In Wattwyl wurde das Häuflein vom Präsidium der Sektion Toggenburg begrüsst, welches auch in freundnachbarlicher und dankenswerter Weise für Unterkunft und Führung gesorgt hatte.
In Unterwasser wurde dann der designierte Exkursionschef erwartet, der mit einem späteren Zuge nachkommen sollte. Aber eine Stunde um die andere und eine Flasche um die andere verrann, ohne dass der Erwartete eintraf, worüber es etwas spät wurde.
Des Morgens, nicht allzufrüh, beim Abmarsch seien der Himmel und meines Gewährsmannes Kopf etwas bewölkt gewesen. Dennoch erreicht man zu guter Zeit den Gipfel des Hinterruck. Der Himmel machte nicht das gnädigste Gesicht, und so wurde die Hauptrast nicht auf dem Gipfel, sondern erst beim Abstieg gemacht, der zwischen Hinterruck und Käsernruck gegen Wallenstadt führte. Ein Vorsprung gegen den Wallensee bot eine wunderschöne Aussicht auf die herrliche Wasserfläche und den wilden Mürtschen gegenüber. Die Sonne war mittlerweile durchgebrochen und in die Rüfen, welche der Führer, teilweise etwas abenteuerlich zum Abstieg wählte. Nach 4 ½ stündigem Marsch wurde schliesslich doch Wallenstadt erreicht und abends die lange Heimfahrt angetreten, die uns jeweilen zum Schluss unserer Bergfahrten beschieden ist.
(Quelle: Alpina 1895)
Sektion Piz Sol.
Sektionstour. … Samstag 26. Mai, abends 7 Uhr 18 Abmarsch vom Bahnhof Wallenstadt. Himmel bewölkt, Regen verheissend. Ankunft auf Hochruck 9 ¼ Uhr. Nach einem reichlichen Nachtessen liess unser neues Sektionsmitglied Herr Baumeister Bürer, der uns in seinem schönen Kurhaus beherbergte, eine Batterie Ölberger auffahren, bei denen sich das denkbar fröhlichste Hüttenleben entwickelte. Um Mitternacht war der Himmel fast wolkenfrei. Sterne in unendlicher Zahl. Kein gutes Wetterzeichen. Unser freundlicher Wirt wies jedem ein Bett an und auf neugefüllten Laubsäcken schliefen wir bis zur Frühdämmerung. Solides Morgenessen. Unser Präsident machte noch einige sehr gelungene photographische Aufnahmen. Gegen 5 Uhr bei bewölktem Himmel Abmarsch, über die Churfirstenalpen Schrina, Schwaldis und Säls zur Gacht hinauf. Wilde Schneewolken flogen über die Gipfel des Leistkamm und Nägeliberg. Wir stiegen mutig der Höhe zu. Unten an der Gacht wurde mit Wegmarkieren angefangen und bis zur Passhöhe etwa 20 Zeichen mit roter Ölfarbe angebracht. Die Ausführung fiel von Amts wegen dem Aktuar zu unter bereitwilliger Assistenz von Herrn Spoerry. Das Klettern mit Pinsel und offenem Farbkessel war eine etwas kitzliche Sache. Die Gachtruns war noch mit Schnee gefüllt. Die durch ihre Leistungen bekannten Wildhüter in Wallenstadt sollen uns einen schmählichen Rückzug prophezeit haben. Wir stiegen rechts von der Gachtruns hinauf, und schon um 7 Uhr standen wir auf der Passhöhe. Das Hochthal zwischen Leistkamm und Nägeliberg ist mit mächtigen Felsblöcken, einem Bergsturz vom Nägeliberg überdeckt. Das «zerstörte Jerusalem» werde dieses wilde Trümmerfeld genannt, eine passende Bezeichnung. ¾ Stunde Rast. Dichter Nebel, feiner Sprühregen. Als die Fortsetzung der Tour in Frage kam, beschlossen der Aktuar und Herr Spoerry, die Gesellschaft mit der Macht des Beispiels hinzureissen. Ueber die Felskante gegen den Wallensee hinauf zum vordern Leistkamm und über die schneegefüllte Einsenkung zum hintern Leistkamm hinüber. Zu oberst an demselben wurde aus Übermut noch eine Kletterpartie gemacht. Ankunft gegen 9 Uhr. Schneegestöber. Ein seltener Genuss. Alles beim besten Wohlsein an Leib und Seele. Versuche mit Aneroïdbarometer und Siedetemperatur-Höhenmesser. Flasche mit Inschriften. … 1 Stunde Aufenthalt. Abfahrt durch eine Schneeruns, prächtige Rutschpartie, zur Alp Looch. Hier machte unser Präsident beim Regen photographische Aufnahmen, die das eigentümliche haben, dass die vertikalen Dimensionen vergrössert, die horizontalen verkleinert sind. Die menschlichen Figuren sind von einer wunderbaren Schlankheit. Physikalische Ursache, ovale Form der Regentropfen? – Auch den blühenden Alpenpflanzen wurde gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Der Tourist im Hochsommer hat von der Farbenpracht und dem Formenreichtum der Frühlingsflora in den Bergen keine blasse Ahnung mehr.
Amden präsentierte sich wunderschön. Bäume, Wiesen und Gärten in voller Blüte, unten der tiefblaue Wallensee, darüber die noch schneeweissen Glarnerberge. Nach einem einfachen Mittagessen im «Hirschen» gingen wir langsam durch die neue Bergstrasse Fly und Weesen zu. Fly-Weesen Vitznau Montreux Nizza, keine Ironie! Noch einige Zeit feuchtfröhlichen Lebens in Weesen, dann brachte uns der Zug wieder heim.
Witterung und Jahreszeit sind für begeisterte, erfahrene und abgehärtete Clubisten keine Hindernisse. Unüberwindlich ist einzig tiefer Neuschnee an sehr steilen oder coupierten Abhängen, wo Schneeschuhe nicht mehr gebraucht werden können. Ein Pereat allen Philistern und Pharisäern in der Clubistenwelt! (J. B. S.)
(Quelle: Alpina 1895)
Sekton Toggenburg.
Unsere zweite Vereinstour wurde am 26. Mai auf den Leistkamm (2105 m) gemacht. Samstag Abend ging’s mit dem Zug von Wattwil nach Ebnat und von da bei etwas zweifelhaftem Wetter das tannengrüne Obertoggenburg hinauf. Wir machten mit unsern Bergstöcken und Tornistern nicht wenig Aufsehen; die einen wünschten uns mitleidig, die andern hohnlächend «guete Abed». In drei Stunden waren wir in Starkenbach. Während wir uns bei Hrn. Bosshard treffliche restaurierten, verschwanden die Wolken, und tausend Sternlein wünschten uns «gute Nacht». Desto erstaunter waren wir morgens vier Uhr, als schwere Regenwolken die Berge herunterhingen. Dennoch rüsteten wir uns schnell zum Abmarsch, um wenigstens die Amdenerhöhe zu passieren. Anfangs benützten wir den «Selunerweg», um dann bald in der Alp Hofstatt rechts abzuschwenken und dieselbe ihrer Länge nach zu durchschreiten. Hier begegneten wir einem prächtigen Reinecke, der von einer Rekognoszierung heimkehrte, und scheuchten nachher ein Rudel weidende Gemsen auf, die wir dann in nächster Nähe betrachten konnten. (Ist übrigens im Churfirstengebiet keine Seltenheit). Nach zweistündigem Marsch waren wir auf der Grathöhe (1703 m) am Fusse des Leistkamm. Trotz dem sich immer mehr zusammenziehenden Gewölk beschlossen wir, die Höhe des Leistkammes zu ersteigen. Wir nahmen den Weg direkt durch die Legföhren hinauf. Plötzlich schoss der Nebel thalwärts und verdichtete sich zu starkem Nieselregen. Nach einer Stunde waren wir oben, hatten also von Starkenbach aus bloss drei Stunden gehabt. Wir wurden von kaltem Nord und «Schneebollen» begrüsst. Unser Dichterling, der sonst auf solchem Standort nicht wortkarg ist, brachte es bloss auf folgende zwei Verslein:
Da sind wir nun auf stolzer Höh’
Und sehen weder Thal noch See.
Die Nebel fliegen um uns her
Als ob es noch Dezember wär.
Die Winde pfeifen schaurig kalt
Durch Mark und Bein bei Jung und Alt.
Gequält von Hunger und von Durst,
Greif’ jeder nach Getränk und Wurst.
In einer Stunde waren wir den Leistkamm hinunter, nahmen dann den Weg über den Fliegenspitz nach der Alp Grappen. Hier entschlossen wir uns, auf den Weg Amden-Weesen-Uznach-Ricken zu verzichten und direkt Stein zuzukehren. Um halb 12 Uhr kamen wir dort an. Nachdem wir unserm Humor dort einige Stunden freien Lauf gelassen, kehrten wir zu Fuss nach Wattwil zurück, wo wir abends 6 Uhr anlangten. Jeder hatte also noch Zeit, sich für den Abendschoppen zu rüsten, der jedem nach zwölfstündigem Marsch gut schmeckt. Vivat die Berge! (M.)
(Quelle: Alpina 1895)