Es liegt dieses kostbare Bad …

In der Graffschaft Sargans. Das Pfefers-Bad

Es ligt dieses kostbare Bad / in Latein Thermae Favarienses, Favariae, Favarianae, Favorinae, Piperinae genannt / in der Graffschafft Sargans / gehöret eigenthumlich zu dem Gottshauß Pfefers / aber unter der VII. Alten Orthen Bottmässigkeit / in einer tieffen Berg-Klufft / gleich dem Gold und Edelgesteinen / welche gemeinlich eintweders in tieffen Berg-Werken / oder hartesten Felsen eingesenket sind / von dannen sie nicht können hervor gezogen werden ohne grosse Mühe und Kösten. …

Obgleich diesere Wasser-Quell eingesenket ist in einer tieffen Berg-Höle / so habe doch vermittelst meines Wetter-Glases / in einer A. 1704 alldort gehaltenen Cur befunden / daß sie über unsere Statt erhöhet 700 bis 800 Züricher Schuhe. Es scheinet zwahr diesere Observation von geringem Nutzen seyn / ob ich wisse / wie hoch dieses Bad lige in Ansehung unserer / oder anderer Eydgnössischen Stätten; sie gibet mir aber Anlas zu folgendem Vernunfft-Urtheil / welches sich gründet auf die gesunde Lehr der Natur-Wissenschafft / und den Trink- und Bad-Gästen einen herzhafften Muth machet / die Cur mit Freuden anzuheben / und zu erwünschtem Zweck zubringen. Weilen dieses Heil-Wasser so viel 100 Schuh über unsere Zürichische / und andere respective niedrigere Lande erhebt / so wird alldort die äussere Lufft / welche innert uns / in unserem Geblüt / Aderen / und allen kleinsten Theilen enthalten / ihre Ausdehn-Krafft mit erfolgender desto grösseren Wirkung zeigen / alle kleinste Bläs- und Aederlein unserer Leiberen erweiteren / worbey dann die sonst subtilen / häuffig eingetrunkenen Wasser-Theilichen desto leichter können alle Aederlein durchgehen / den Kreißlauff aller Säfften beförderen / die hier und dort an den Wänden der kleinsten Röhrlein anklebenden Schleimerigkeiten ablösen / und fortführen / folglich die Verstopfungen / welche der meisten Krankheiten Ursachen sind / auflösen / endlich die Gesundheit wiederum erstatten. Hieraus ist leicht zuschliessen / daß / wann die Truck-Krafft der äusseren Lufft noch mehr durch die eingeschlossene Wärme des Bads selbs geschwachet wird / die innere Lufft desto mehr sich wird ausdehnen / wie dann dieses erfahren die jenigen Bad-Gäste / welchen der ganze Leib geschwillet / öffters in solcher Maaß / daß die Haut möchte zerspringen; worauf mehrmalen die beste Gesundheit erfolget. Aus bisherigen Fundamenten lasset sich schliessen / daß dieses Pfefers-Bad dienstlicher / oder besser werde zuschlagen uns Züricheren / oder anderen in niedrigeren Orthen wohnenden Schweitzeren / und noch besser denen Teutschen / Franzosen / Italiäneren / oder Holländeren / als denen anwohnenden Unterthanen der Graffschafft Sargans / oder noch höher ligenden Pündtneren: welches alles aber zuverstehen ist mit Vorbehalt der Natur / Krankheit / Alters / und anderer Umständen / welche einen jeden Menschen ins besonder angehen. Aus gleichem Grundsatz kan man urtheilen von oben angerühmter gesunden Eigenschafft aller Gebirgischen Wasseren.

Fraget man von der eigentlichen Natur / oder Beschaffenheit des Pfefers-Bads / so ist zuwissen / daß bis dahin alle Naturforscher selbiges angesehen vor ein Mineralisches / oder solches Wasser / welches verschiedene Mineralische Theil in sich halte / und krafft derselben in dem Leib des Menschen wirke; und ware man eher bedacht solche frömbden Theil zubenennen / als aufzusuchen. Fuchsius, Rulandus, und andere / schreiben diesem Wasser zu einen Schweffel / Salpeter / Kupfer / Eisen und Gold. Thurneisser den Magnet / Gold / Kupfer und Schweffel. Bruschius Gold / und Kupfer. Abiss Eisen / gesiegelte Erde / Salpeter / nebst dem feinsten Gold; deme auch unterschreibet Zimmermann / welcher dem Goldischen Schweffel die vornemste Krafft zueignet. Die einige diesem Wasser anerbohrne Wärme hat alle Scribenten glauben gemacht / daß gewisse Mineralien darinn sich finden müssen / weilen in ganz Europa kein natürlich warmes Wasser ist / das nicht Schweffel / oder andere Mineralien enthalte; diejenigen absönderlich / welche die Wärme der Bäderen herleiten nicht so fast von unter-irdischer Wärme / als von Zusamenkunfft widerwertiger alcalischer und saurer Theilen / und daher entstandenem Jast. Es wird mir aber erlaubt seyn / gleich anderen Naturkündigeren diesere Freyheit gedeyet / meine unmaßgebliche Gedanken dahin zueröffnen / daß dieses Wasser kein Mineral-Wasser zunennen / folglich von allen anderen Europäischen warmen Bäderen zuunterscheiden seye. Dieser / meine muthmaßliche Meinung / damit sie nicht vor eine eitele Vernünfftelung angesehen werde / besteiffe mit folgenden Gründen. 1. Ist es unfarbig / ohne einichen Geschmack / oder Geruch / Crystall-lauter / gleich dem reinesten Berg-Wasser; folglich auch 2. jederman gleich annehmlich / weilen darinn keine schweffelichte / saltzichte / oder anderst gestaltete Theile sich finden / welche die Zung / als des Geschmacktes Werkzeug / könten empfindtlich rühren / oder den einten Menschen mehr / den anderen weniger angreiffen. 3. Entstehet keine Aenderung aus Anschüttung allerhand flüssiger / oder truckener Dingen / als da sind das Scheidwasser / destillierter Essig / Vitriol-Salarmoniac-Geist / Violen-Safft / Erbselen-Safft; Obgleich man sie einen oder zwey Tag stehen laßt. Aus Vermischung des in Wasser aufgelößten sublimierten Quecksilbers habe oben auf dem Pfeferser-Wasser wahrgenommen ein von Pfauenfarben schimmerendes Häutlein. So auch nach Angiessung des Weinstein-Saltzes / oder Oels / hat sich erzeiget eine etwelche Verdunklung / auf welche innert etlichen Stunden sich zu Boden gesetzet ein weisses Wölklein; Also hat auch eine geringe weisse Dunklung verursachet der Tatarus tartarisatus Ludovici. Dieses sind aber solche Aenderungen / welche von geringerem Gewicht sind / und bald bey allen gemeinen Berg- oder anderen Brunn-Wasseren zusehen. Und ist über diß zugewahren / daß dieses Pfefers-Wasser zu einen Zeiten eine mehrere Aenderung zeiget durch die Chymische Proben / zu anderen eine wenigere / oder gar keine; welches bezeugen können viel gelehrte und erfahrne Medici, so dieses Wunder-Wasser auf die Prob setzen / und erkundigen wollen. 4. Habe ich durch Mittel einer subtilen Waag befunden / daß dieses vorhabende Pfefers-Wasser in gleichem Gewicht ist mit dem Gebirgischen Brunnen- auch fast mit dem Regen-Wasser / woraus dann alsobald abzunemmen / daß darinn nicht enthalten frömbde Mineralische Theil / deren Gegenwart in anderen natürlich warmen Bäderen eine grössere Schwere verursachet. Etwann habe in 7 Quintlein warmen Pfefers-Wasser gefunden / daß es um ein halbes / oder ganzes Gran leichter gewesen / als so es kalt abgewogen worden / welches dem in den Löchlein enthaltenen verdünnerten Lufft zugeschrieben. 5. Gleichwie in anderen natürlich warmen Bäderen man gewahret / daß sich in die Höhe zeuhen einiche Schweffel-Blumen / daß auf dem Wasser sich zeiget eine weisse / oder gelbe Haut / welche man kan abnemmen / und tröcknen / daß an denen Wasser-Gehalteren und Canälen sich anhenket ein Bad- oder Tugstein / daß endlich auch zu Boden sich setzet eine weisse oder gelbe Erden / also spüret man hier dergleichen nichts.

Worzu aber / möchte einer sagen / dienet diese weitläuffige Vernünfftelung? Genug ists / daß dieses Heil-Wasser vortreffliche Wirkungen thut / genug wann wir uns dessen zu unserer Gesundheit können bedienen; und unnöthig / daß ich wisse / was vor Theil diß Wasser in sich halte / oder / wie es in unseren Leiberen wirke? Recht so / wann es gerahtet; genug ists ja einem unverständigen Arzet / oder Arzney-Stümpler / daß er seinen Patienten auf das blinde Glück hin solche Bad-Curen einrahtet / und ligt ihme wenig daran / ob sie glücklich ausschlagen / oder nicht. Ein verständiger und gelehrter Arzet aber gehet gewissenhafft in die Sach / und gründet sein Ein- oder Mißrathen auf eine grundliche Wissenschafft beydes der Arzney / und der Krankheit: Er kennet des Menschen Leib / und dessen Verrichtungen / gesunden oder kranknen Stand / er weißt wie die Gesundheit bestehe (ins gemein zureden) in gewisser Beweg-Vereinigung oder Temperatur des Geblüts / und übriger Feuchtigkeiten des Leibs / in unverhindertem Einfluß der Geisteren in alle Glieder / in dem Tono, oder steiffen Haltung aller vesten Zäserlein / und endlich in dem Gleichgewicht aller so wol flüssigen / als trockenen und vesten Theilen des Leibs; folglich die Krankheiten herrühren von verderbter Bewegung der Leibes-Feuchtigkeiten / und Geisteren / in veränderter ihrer Gestaltsame / oder Beschaffenheit / in vermehrten / oder verminderten Spannung der Zäserlein / endlich auch in aufgehebtem Gleichgewicht aller Theilen des menschlichen Kunstwerks etc.

Wann nun ein verständiger Arzet gleich einem erfahrnen Uhrenmacher kennet den gesunden / und kranknen Zustand dieses von Gott selbs verfertigten Uhrenwerks / und die Wirkung des Pfefers-Wassers aus obeingeführten Gründen herleitet nicht so fast von unbekanten Mineralien / als von der lauteren Quell der natürlichen / durchtringenden Wärme / der Subtil- und Kleinheit aller Theilen dieses Wassers / so wird er aus diesem einfalten Grundsatz ohnschwer fassen können / wie dasselbe ausserlich durch die Bad- oder innerlich durch die Trink-Cur wirke / wie es durch den Magen in die Gedärme / durch diese in die äussersten Löchlein der Milch-Gefässen / und von dannen in das Geblüt durch alle kleinsten Aederlein gehe / die hier und da anklebenden schleimerig-irrdischen Theil auflöse / und ausführe / folglich die Verstopfungen / welche der meisten Krankheiten Ursachen sind / weghebe: Wie über diß auch diejenigen zähen Feuchtigkeiten / welche durch die innerliche Trink-Cur nicht haben können aufgelößt / und aussert den Leib geführet werden / durch die aussere Bad-Cur weiters verdünneret / die Löchlein der Haut eröffnet / die Zäserlein erweychet / die kleinsten Aederlein auf oben erklärte Weise ausgedehnet / und die frömbden unnützen Theil / theils durch den Schweiß / theils durch den Harn weggetrieben werden / worbey anfänglich zwahr entstehet Mattigkeit der Gliederen / und andere etwann weit aussehende und gefährliche Zufälle / hernach aber / wann die Cur zu End / offt auch erst zu Hauß / der ganze Leib wiederum zu gesunden Kräfften / und das Gemüht zu frölichen Gedanken wiederkehret: Wer / sage ich / die Natur und Wirkungen dieses Pfefersischen Heil-Wassers auf solche Weise mit vernünfftigen Gedanken erwiget / eines jeden Menschen / der seine Gesundheit zuerhalten / oder wieder zubringen sorgfältig ist / Beschaffenheit in Betrachtung zeuhet / die Krankheiten kennet / dero Ursachen grundlich erforschet / der wird mit desto grösserer Sicherheit solche Haubt-Curen selbs unternemmen / oder unterlassen / anderen auch ein- oder abrahten. …

Zum Beschluß werde dem curiosen Leser vorstellen verschiedene Mahlerische Zeichnungen dieses Wunder-Bads / und dißmal mit wenigem andeuten einiche da herum befindliche Merkwürdigkeiten der Natur.

Nahe bey dem Bad-Hauß sprengte man zu dem Neuen ansehenlichen Gebäu in dem Sommer A. 1704 einiche Marmor-harte Felsen / in deren Zwischenspälten sich finden liessen einiche kleine Crystallen / aber auch in ihrer Mitte einiche Muschelsteine / nebst dem so genanten Kümmistein… Dergleichen Steine / weilen sie nach der gemeinsten und sichersten Meynung herkommen von der Sündflut / und deren gewisse Anzeigen sind / geben uns zuverstehen / daß zur Zeit dieser allgemeinen Ueberschwemmung auch die jetzt hartesten Marmor weych gewesen / so daß die Meer-Muschelen und Schnecken sich in selbige domals lettichte Materi habe können einsenken.

Zwischen Pfefers / und dem Dorff Valenz / finden sich an dem Weg graue dürre brüchige Schiffersteine / und ob Valenz gegen dem Grauen Horen / (welches Gebirg über das Bad erhöhet über die 2000 Schuhe / andere schwarze / und härtere / welche an Gestalt gleich sind denen Blattensteinen / welche aus dem Glarnerland verführt werden bald in alle Theil Europae.

Bey und in der Quell findet man eine gelbrohte subtile Erde / von welcher / als einer Terra solari die Kräffte dieses Heil-Wassers von vielen hergeleitet werden; und ist nicht zulaugnen / daß etwann bey Abrauchung des Wassers etwas von dieser Erden in dem Geschirr überig bleibet. Es ist auch diesere Erden kostlich zu Auftröcknung alter fliessender Schäden / wann sie darauf gestreuet wird. Und zweifle ich keines wegs / man könte sie auch mit Nutzen innwendig brauchen / zu Versüssung der scharffetzenden Feuchtigkeiten / an statt einer gesiegelten Türkischen / oder Schlesischen Erden. Ob aber von etlich wenigen Granen / so sich in etwelchen Massen finden / hergeleitet werden können die Wirkungen des Wassers / überlasse dem vernünfftigen / mit keinen Vorurthlen eingenommen Leser; deme gleichfahls zubeurtheilen frey stehet / ob die Ursachen so kräfftiger Wirkungen können beruhen auf einichen Gold-Flämmlein / oder Stäublein / welche dann und wann in dem Pfefers-Wasser (sonderlich / wann es lang gestanden) sind gewahret worden. Obgemeldter Erden / und auch dieser Goldflitschen halb bin versicheret / daß sie herkommen aus dem Fels selbs / (darinn die Quell entspringt) welcher von unter-irrdischer Wärme und Feuchte also mürbe gemachet worden / daß die darinn enthaltene frömbde Theil abgelediget worden / und in Vorschein kommen.

Von denen Wirkungen dieses Pfefersischen Heil-Wassers könte sehr viel gesagt werden / wann mich wolte der Weitläuffigkeit bedienen / und diejenigen Sachen / welche in ganzen Bücheren zufinden sind / ausschreiben. Es ist aber diß nicht mein thun. Gleichwol kan nicht umgehen / aus oben gesetzter Grund-Lehr von der Natur und Eigenschafft dieses Wassers zuschliessen / daß derselben so wol innerlicher als äusserlicher Gebrauch diene haubtsächlich zu Auflösung allerhand Verstopfungen / zu Abledigung derjenigen schleimerig-irrdischen Theilen / welche sich da und dort in denen kleinsten Röhrlein verstecket / oder an dero Wände sich angesetzet haben / worinn gewißlich der vornemsten und meisten Krankheiten Ursachen bestehen / als zum Exempel dienen können die Haubtschmerzen / Tropf- oder Gutschlag / Schwindel / Fallende Sucht / Abnemmen der Gedächtnuß / Verdunklung des Gesichts / Verminderung des Gehörs / Verstopfung des Milzes / Gekröses / Leber / allerhand Gattung Melancholey oder Schwermuth / Verstopfung der Nerven / und daher kommende Mattigkeiten / Schwachheiten / zitterende und gichterische Bewegungen der ausseren Gliederen; alte Schäden / in welchen etwann Kuglen / oder Spreissen / oder abgeledigte Beine verborgen ligen; alte Fieber; Gleychsucht / Podagra; Blasen- und Nieren-Stein; Muter-Krankheiten / allerhand Art Raud / Fistlen / und tausent andere dergleiche Zustände mehr / in welchen diß Heil-Wasser nach Beschaffenheit des Patienten / und der Krankheit selbs von einem verständigen Arzet kan gerahten werden. Ich meines Orths benüge mich allen und jeden / denen vor ihre eigene / oder anderer Menschen Gesundheit zusorgen obliget / vorzustellen diese allgemeine / und Fundamental-Regel / nach welcher sie sich in allen vorfallenden Begebenheiten richten können. Wo die verstopfende Ursach der Krankheit annoch innert den kleinsten Ader-Röhrlein stecket / und dero Zäserlein noch einiche Kräffte haben / da kan das Pfefers-Wasser / menschlicher Weise darvon zureden / innerlich oder äusserlich wirken. Wo hingegen obbemeldte Röhrlein geöffnet / zerrissen / oder von der Schärffe der Materi durchfressen / oder die Zäserlein ihre Spann- und Treib-Krafft verlohren / oder Gefahr ist / es möchten irgends an einem vornehmen Orth die äussersten Aederlein von dem Gewalt des Wassers / gleich einem Damm / durchgebrochen werden / da hüte man sich vor dieser Cur / sonderlich / wann auf sothane Weise leiden die edleren / inneren Theile des Leibes / dannenhero meiden diß Wasser die Wasser-Schwind-Gelbsüchtigen / Aussätzigen / die mit der rohten Ruhr behafftet / mit der alten nodosa podagra geplaget / ja auch die schwangeren Weiber. …

Seines Orths (des Pfefers-Bads) halben / von dessen Erfindung / sind die Authores um etwas different, die glaubwürdigste Meynung ist / meines Erachtens / daß das Bad Anno 1240 erfunden worden.

Diese von Natur warme Brunn-Quellen entspringt hinter dem Fürstl. Kloster Pfefers / ohngefehr einer starken Stund Wegs / zwischen Mittag und Untergang / in einem Thal und sehr tieffen ausgehölten Hölen / anderhalb Stund Wegs von dem Rheinstrom hinein / unter einem erschröcklich überhangenden Felsen… In diese Höle fliesset ein von Mittag hero ein Bach / Tamina genannt / zwischen gäch-stotziger Höhe / und unbeschreiblichen Felsen eingeschlossen.

Denkwürdig ist / daß in dem 1611. Jahr durch die streiffende Pest / die benachbarten Dörffer / wie auch das Kloster ausgeödet worden / und aber die Schweitzer und Pündtner / ein weg als den anderen / wie auch andere Völker sich in das Bad begeben / ist deren keiner an der leydigen Pest gestorben / so gleichfahls auch des 1629. Jahrs bey der allgemeinen Pest beschehen / massen dann ihrer viel daselbsten / bis in den tieffen Winter / da das untere Gast-Hauß abgebronnen / sich vor der Pest sicher erhalten / dermassen scharff und gesund ist jenes Luffts Durchstrich; In dem alten Bad / sind 3 Bad-Schwemmen gewesen / darinnen bey 100 Personen einsitzen und baden können.

Das warme und köstliche Quellen-Wasser entspringt innert zur rechten Seiten des Bachs Tamina, gegen Aufgang an mehr Orthen / aus den harten Felsen-Klufften / sonderlich aus den harten Felsen-Rumpfen oder Gruben / so man wegen der Form den Kessel genennet / und zwahren in solcher Mänge / daß es zu Umtreibung eines Mühlen-Rads wol erklecken kan / und so die Quellen auf ebenem anderem Land wäre / 2000 Personen zufassen genugsam seyn wurden / so reich ist diese Quelle; Ja es erkleckte desto mehr / so man die anderen warmen Quellen / deren etliche / zusamen ziehen und verfügen wurde / welche allenthalben in dem Tobel herunter quellen.

Die Haubt-Quellen des Kessels erreicht in ihrer Höhe eines Manns Höhe / dahero dieselbe mit einem höltzenen Gitter / daß niemand darein sinke / versehen / daran sich die Badenden mit den Füssen gesteuret.

Ob dem Kessel ohngefahr 2 Manns-Klaffter / entspringt eine andere warme Quelle / so das Herren-Bad genannt / so auch in den so genannten Kessel geleitet wird / gegen Aufgang und am Bach Tamina auf der Felsen-Höle / entspringt noch eine andere Quelle warmen Wassers / gleich den anderen / so man den Gumpen genennet.

Ohne Unterlas quellen diese warmen Wasser neu / und das vorige fliesset ab / welches in anderen warmen Wild-Bäderen nicht leichtlich beschiehet / sondern dero allzugrosse Hitz / eintwedern man mit vermischtem kaltem Wasser / oder für sich selbst / in den Bad-Wannen erkülen lassen muß / dardurch die subtilesten Kräfften (so die Seel oder Geist sind) verriechen / und offt erschöpft werden. Auch in anderen warmen Bäderen / der von den Kranknen badenden Leiberen abgeledigte Wust und Unraht / in den Bad-Wannen bleibet / in diesem Wunder-Bad aber wird solcher durch das stätige / in grosser Mänge zufliessende warme Bad-Wasser / ohne Unterlas abgeführet und gereiniget; Woher dieses edle Wasser fliesse / vermeynen etliche / daß dasselbige von weitem herfliesse / von den höchsten Berg-Jöcheren gegen Aufgang / und alsdann durch viel Gäng / Schlupf und Klüfften des Bergs in dieser scheutzlichen Höle herüber quelle; So mehr gläublich als erweislich; Zwahren eine lange Reyß / und weiten Zufluß / gibt des Wassers temperierte Wärme.

In dem abscheuhlichen Orth des alten Bads sind die Leuth allzeit wegen der einhangenden Stein-Felsen / und offt herabfallenden Rüffenen / Bäum und dergleichen Materi / so ohnversehens von der Höhe hinunter über die Bad-Tächer gestürzt worden / mit Forcht und Schrecken umgeben gewesen / deßwegen die Baden-Cur praecipitanter geförderet / ja offt ohne Verrichtung vollkommener Badenfahrt sich wiederum naher Hauß begeben; So sind ebenmässig die Wirthshäuser zum öffteren / durch Einfallen grosser Steinen / Schnee-Lauenen / Eis-Klotzen ganz verschlagen / und in den Bach Tamina gestürzet worden.

Nicht weniger ist der Fluß Tamina so hoch gewachsen / viel Holtz / Stein und anderen Unraht mit sich geführet / daß zubesorgen geweßt / daß die Gast-Häuser und Bad möchten samt den Einwohneren durch solche Wasser-Güß / kläglich versenkt / wenigst übel geschädiget werden / dannenhero mehrmalen (jedoch unverhoffter Weis) das Geschrey erschollen / das Bad seye eingefallen / und die darinn sich befindenden Menschen / ums Leben gebracht worden.

Diese abscheuliche Spelunken / in welcher die Sonn selten nicht länger als eine Stund lang hinein geglanzet / also daß man ohne Liecht nicht über ein oder zwey Stund das Brevier betten / noch anders lesen können / so zu jederzeit viel Forcht / Schrecken und Sorg verursachet / so dann in die lange Brucken zu Zeiten eingeschlagen / die Gebäu durch immerwährende Dämpf verfäult / und zu Grund gericht worden; Die Unkösten / neue Gebäu anzusetzen / hat dem Kloster viel Nachdenkens und Nachsinnens causiert / aus Beysorg / das Einkommen wegen neuer Gebäuen / jährlicher Erbesserung der alten / möchte solche Unkösten nicht ertragen / sondern zu gering seyn. Anno 1625 ist das ober Wirthshauß / Winters-Zeit / durch einen herunter gefallenen grossen merklichen Stein gänzlich zu Stucken gericht / und an dessen statt mit grossem Unkosten einen anderen Bau sorglich fürzunemmen / oder wie das warme Wasser an ein sicher Orth möchte geführt werden / Anlas besser nachzudenken möchte gegeben; Johannes Mader von Pläß in des Gottshauß Jurisdiction, war der erste / deme dieses Werk Tag und Nacht sehr angelegen / hat zum anderen mal die Felsen / Wald und Spelunken wol contempliert / und besichtiget / er letstlich einen sicheren Orth / da das Bad durch verwahrte Canäl auf ein Felsen eingehauene Brucken kommlich möchte geleitet werden / erfunden / war eben das Orth / da jetzt das Wirths- und Bad-Hauß Anno 1630 erbauet worden; Da er sein Gutachten unter die Leuth kommen lassen / ist er von Mäniglich veracht und verlacht worden / jedoch beschützte ihne / in der Intention, der damals regierende Herr Praelat Jodocus Höslin, welcher solchem wichtigen Geschäfft eiferig (als ein sehr gelehrter Herr) und tieffer nachgesinnet / auch vieler Gelehrten Gutachten hierüber einnemmen lassen / auf des Maders Aussag / begab sich Johannes Reisch / damals geweßter Bad-Meister / in eine sonderbare Gefahr / Anno 1628 8. Tag vor Weyhnachten / ist er allein mit einer starken Stangen / ohne anders Instrument oder Werkzeug von der warmen Quellen durch den Bach Tamina auswerts gewattet / bis er in eine Tieffe unter der Klufft in Occidentalischen Felsen gerahten (die man sonst Mariae Magdalenae Klufft oder Spelunca heisset) bis an den Mund in Wirbel hinein gefallen / da sonsten der Bach zu seiner Zeit nicht groß an Wasser pflegt zuseyn / er erhebt sich mit grosser Mühe aus der Tieffe / gieng in St. Mariae Madgalenae Höle / fasset grossen Muht von neuem fortzusetzen / auch durch den Fluß hinaus gesetzt / bis er zu dem Platz / da der neue Bau hernach ausgeführet worden / kommen / zeiget es noch selbigen Tags im Gotts-Hauß an / also daß man zwahren sein Vorgehen in seinem Werth hat lassen verbleiben. …

Hinzwischen aber den 3. Tag Decembris, Anno 1629 / ward das untere Wirthshauß durch Verwahrlosung dreyer jungen Mägdlein / die aus Forcht der erblichen Pest sich in dem Tobel salviert / in die Aschen gelegt.

Diese glück- oder unglückliche Brunst hat … mancherley Gedanken gemacht / aber zuletst darfür haltende / daß es nicht ohne sonderbare Göttliche Providenz geschehen seye / dardurch den warmen Brunnen aus der Gefahr anderwerts zuleiten / und nohtwendige Gebäu zumachen / auch samt untergebenem Convent in eine Deliberation begeben / durch eine neue Wasser-Leite von der warmen Brunn-Quell aus dem gefährlichen Tobel herfür zunemmen … / endlich einhelliglich concludieret in Gottes Namen diß Werk vorzunemmen / damit vielen anderen Beschwernussen / die innert dem grausamen Tobel allzeit sich zugetragen / und fehrners zubeförchten / wie gleich oben bedeut / gewesen / als Schrecken / Zitteren / Finsternussen / Gefahr des Einfahls / Ungestümmigkeit des durchlauffenden Bachs / und anderen Ungelegenheiten abzuhelffen; Hiermit mit Meister Johann Zelleren von Sundhofen aus dem Allgöw / einem Zimmermann / A. 1629 den 19. Decembris ein Accord getroffen / und das Werk an die Hand genommen / die Canäl / so zu dem warmen Wasser gehören / von Weiß-Thannen / die Jöcher aber und Untersätz von Lerchenem Holtz gemacht / alle Canäl / und ein jeder insonderheit 10 Zoll weit / die Sark / das ist der Boden / die Wänd und Deckel darauf / jedes 4 Zoll dick sind / die Deckel allenthalben um 1 Zoll eingefaltzet; Die Canäl innwendig glatt / sauber gehoblet / auch aller Orthen / wo die Canäle zusamen gestossen / mit Eisernen Zwingen zusamen gestossen worden. Er Meister Zeller hat durch das ganze Tobel hinaus / so weit die Canäl geführt worden / neben solchen Canälen ein Staig gemacht zwey Schuh breyt / und 4 Zoll dick / durch den Steinmetz Zeller den Kessel / das ist / bey des Wassers Ursprung in alle vier Eck sauber und glatt aushausen lassen / und dann ein Eychenen Kasten darein machen / solchen wol verkütten und verdecken / damit weder Wasser noch Dampf darvon kommen möge.

Die Löcher zu jedem Joch sind 18 Zoll tieff in Felsen gehauen worden; Auch unter jedes Joch / wo es vonnöhten / ein Untersatz gemacht worden / er Meister Zeller hat an dem jenigen Orth und Platz / wo das Wasser durch die Canäl seinen Ausgang nimmt / ein Gemächlein / so 10 Schuh breyt machen müssen / darinnen man alsdann das Wasser probieren und baden können; Diß ist der Bericht von der Ausführung aus dem alten Tobel an das Orth / wo jetzt das so genannt neue Bad- und Gast-Hauß stehet.

Im Jahr 1630 zu End des Monats Januarii ist die neue Brucken über das Wasser zuführen glücklich angefangen worden / inmassen alle / so es anschauen / billich für ein merkliches Wunder-Werk halten / und bekennen werden; diese Bruck ist vest und stark.

Von dem ersten Canal / welcher das beste warme Wasser einschluckt / sind bis zum neuen Bad ohngefehr 600 Schritt / oder 208 Klaffter.

Die Bruck ist an dem gegen Aufgang der Sonnen bestehenden Felsen angehangt / fast bis zu End der Spelunken / da sie über den Bach gegen Niedergang nicht weit von dem neuen Bad / übergesetzt ist / ligt höher bey dem vorderen Ursprung / als der Tamin-Bach 23 Schuh. Zu Ende aber (weil dieser kalte Fluß immer tieffer fliesset / wie der Augenschein von Zeit zu Zeit klärlich erweiset) mehr als 30 Schuh; Und sind die Lerchenen Jöcher / darauf die Brucken und Canäle aufgesetzt / an der Zahl 101 tieff und vest / 18 in 20 und theils mehr Zoll weit hinein gezapft.

So man die Circumstantias wolte erwegen / hat man sich ab diesem Bau billich hoch zuverwunderen / weilen oben herab Niemand darzu gelangen möchte / wegen des grausamen Tamin-Bachs / so mit grossem Gewalt herunter tringt / und den Furth allerdings dermassen bezwinget / daß man keinen Fuß nicht aufsetzen mag. Zu beyden Seiten erheben sich die gähen Felsen und Schroffen / etliche Thurn hoch / und kan man diesen Bach weder abgraben / noch von seinem gewohnlichen Lauff verhinderen / so ist auch unmöglich an Seyleren oder anderen Instrumenten sich oben herab zulassen / ja man möchte nirgends als allein in den Tamin nicht ohne Sorg und sonderbare Gefahr aufstehen / und ist die Klufft am selbigen Orth ganz eng / man könte ohne Todes-Gefahr in solcher Arbeit wenig verrichten / sonderlich da die Zimmerleuth und Steinmetzen unter einanderen wegen der Streych / Schläg / Klopfen / Erthönen / auch des herunter grausamen rauschenden Bachs / ob sie gleichwol zusamen geschreyen / dannoch nicht verstehen können / sondern mit Gebärden / Hut-Schwingen / oder hellem scharffem Pfeiffen ihr Begehren andeuten müssen.

Nun ist oberzehltes gefährliches Gebäu der Brucken / und vollkommener Wasser-Führung / in fünf Monat durch die Enge des Tobels nicht ohne Mänigliches Verwunderung glücklich vollendet worden: Aussert daß ein Zimmermann von einem herab fallenden Eis-Klotzen zu Frühlings-Zeit ab dem Gerüst in den Bach 30 Schuh hoch gestürzet worden / das linke Beyn zerbrochen / der doch aus dem Bach gezogen / und hernach wiederum zu seiner vorigen Gesundheit und Kräfften gelanget ist.

Die Klufft der neuen Brucken nach übertrifft an Wunder-Dingen die Spelunken des alten Bads nicht wenig / dann vielmalen stossen die Felsen entweders in der Höhe oder Mitte zusamen / also daß sie an gewissen Orthen einen ganzen Beschluß machen / darüber man gewanderet ist / und noch wanderen kan / und diese Gelegenheit der Beschluß genennt wird; Von dem rinnenden Fluß / bis hinauf zu dem Beschluß achten die Wolerfahrnen 293 Schuh hoch / hangen auch hin und wieder theils zu oberst an der Höhe / theils in der Mitte Stein / so 8 oder 10 mal grösser als Mühle-Stein sind / in Summa auf- und abwerts hin und wieder / wo man die Augen wendet / findet man nichts als ein Wunder-Werk. …

(Quelle: Hydrographia helvetica. Beschreibung der Seen/Flüssen/Brünnen/warmen und kalten Bäderen / und anderen Mineral-Wassern des Schweizerlands. Der Natur-Histori des Schweitzerlands zweyter Theil. Johann Jakob Scheuchzer. Zürich 1717)

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