Der dem edlen Grattier willkommene Gamsberg ist die stolzeste Figur in der östlichen Verlängerung der Churfirstenkette, überhaupt in allen Beziehungen eine imposante Berggestalt, und wird auch in neuerer Zeit hin und wieder von kletterlustigen Touristen besucht. Es ist schon ziemlich viel über den Gamsberg geschrieben worden; leider kann sich indessen der Fernerstehende über die Besteigungsmöglichkeiten anhand der stark zerstreuten vorhandenen Literatur nur schwer orientieren. (Ein Führer in Buchform besteht für dieses Gebiet noch nicht.) Deshalb dürfte eine Zusammenfassung alles Wesentlichen von Interesse und Nutzen sein.
Der scharfe Fels- und Graskamm des Gamsbergs weist drei markante und auf dem Siegfriedatlas, Blatt 256, kotierte Höhenpunkte auf: einen mittleren höchsten (2383 m) (früher wurde viel darüber diskutiert, ob der Gamsberg nicht noch höher sei als der benachbarte Faulfirst, 2385 m), einen westlichen mit Steinmann und Gipfelbuch versehenen (2368 m) und einen östlichen niedrigsten (2344 m). AIs Zugänge kommen sowohl die Nord- wie die Südflanke in Betracht; während jedoch die erstere gut ausgerüsteten Besteigern keine bedeutenden Schwierigkeiten darbietet, erfordert die Bezwingung der letzteren Schwindelfreiheit, Gewandtheit im Klettern und Ausdauer. An nördlichen Zugängen stehen zwei, an südlichen vier normale zur Verfügung.
Nordzugänge:
a) Aus der Gegend des Voralpsees über Langgner (früher in der Literatur Langenalp genannt) oder Sisizalp zur Geröllmulde „Zwischen den Bergen” und hinauf bis etwa 20 m unterhalb des Sattels 2170 (zwischen dem östlichen Gamsberggipfel und dem Sichli). Von da westlich zur tiefsten Mulde in der Ostflanke des Gamsbergs und durch eine lange, mässig geneigte Felsrinne – die tiefere linke im Sinne des Aufstiegs ist bequemer als der schmale Spalt zur Rechten, den ich mit meinen Clubgenossen W. Gemperli und Dr. P. Gysin am 23. September 1917 beging (Kletterschuhe und Seilgebrauch rätlich) – zum Hauptgrat und kurz darauf zum Ostgipfel (2344 m); dann auf dem schwindligen Grat, teilweise in die Nordflanke ausweichend, in kaum ¼ Std. zum Hauptgipfel (2382 m) und weiter wieder in einer leichten Viertelstunde zum Westgipfel (2368 m). Dies ist die beste und wohl älteste, schon früh von Gemsjägern begangene Route.
b) Aus der Gegend des Voralpsees über die Bühlen, oder von der Sennisalp über die Lücke zwischen Gams- und Schiff- (nach J. B. Stoop, Scheff-)berg. Zu dieser Lücke, Scheff genannt, gelangt man mühsam und steinschlaggefährdet (siehe „Alpina” 1900, Seite 90) auf den steilen Halden von Grossplangg und Sterenberg. Vom Scheff aus begeht man ein steiles Felsenband in der massiven Nordwestwand – am besten benützt man nicht den ersten möglichen Aufstieg, sondern den folgenden leichteren östlich davon (s. „Alpina” 1894, S. 127) – und dann den verwitterten oberen Teil in der Richtung auf den Grat östlich vom Hauptgipfel 2383 m, welch ersterer etwa in der Mitte zwischen Haupt- und Ostgipfel betreten wird. – Gleichfalls dahin kann man auch vom Tristenkopf (früher Tresterkopf geheissen) gelangen. Diesen Weg, welcher den Einheimischen schon längst bekannt war, beging hin und zurück am 11. Juli 1891 Dr. C. Blodig gemäss seiner Beschreibung in der Ö.A.Z., Nr. 344, die Ausgangspunkt eines erheblichen Federkrieges und vermehrter Gamsbergattacken wurde (s. Jahrbuch S.A.C. XXIX, S. 270, und kritische Bemerkungen dazu von J. B. Stoop in der „Alpina” 1894, S. 65 ff., und von A. Ludwig in der „Alpina” 1894, S. 130). Dagegen wählten am 15. August 1891 für den Aufstieg J. B. Stoop und Lukas Pfiffner, welche darüber in der „Alpina” 1894, S. 65, berichteten (siehe Jahrbuch S.A.C. XXIX, S. 270), vom Scheff das obgenannte steile Felsenband, für den Rückweg zum Scheff die nördliche Umgehung des Tristenkopfs.
Südzugänge:
1. Von Sennisalp wie bei b) über die steile Grashalde von Grossplangg gegen den Sterenberg, dann etwas ob der Kurve 1900 östlich umbiegend an die in mächtiger Wand abstürzende Südwestflanke des Gamsbergs, welche in der Mitte durch ein steiles Gras- und Felscouloir oder eine „Kluft” durchbrochen wird. Dieses Couloir, das laut Jahrbuch XXXII, Seite 357, im Jahre 1895 zuerst J. B. Stoop mit H. Spoerry und später Führer Conzetti benutzten, das aber durch Steinschlag gefährdet ist (s. „Alpina” 1894, S. 127), leitet am kürzesten zu der gut begehbaren Grashalde unmittelbar südlich unter dem Hauptgipfel 2383 m. Der Anstieg von Sennisalp zum Gipfel auf diesem Wege erfordert normal 4 Std.
2. Von Sennisalp geht man bis an den Fuss des unter 1. erwähnten Couloirs, dann, der Felswand entlang, in südöstlicher Richtung etwas abwärts, bis man linkerhand zu einem sehr schmalen unsoliden Rasenband, dem sogenannten Faulen Gang (wegen Abrutschgefahr nur bei trockenem Wetter und in gehörigem Abstand voneinander zu begehen !), kommt, der ansteigend auf die Südflanke des Gamsbergs führt (2 Std.), wo ein aussichtsreiches, hübsches Rasenplätzchen zu einer Frühstücksrast einlädt und von wo aus man ungefähr auf gleicher Höhe in der Mittelrippe der Südflanke des Gamsbergs ein Felsenfenster entdeckt, durch das der vom „Goldloch” kommende Weg führt. Der Weiterweg von diesem Rasenplätzchen bis zu der Stelle, wo das unter 1. genannte Couloir oben in die Grasflanke mündet, ist nicht bloss äusserst mühsam, sondern auch wegen der bröckeligen Beschaffenheit des schräg abwärts geschichteten Gesteins etwas gefährlich, erheischt zum mindesten volle Vorsicht. Man tut gut daran, bald nach rechts hinaus auf den Rasen zu streben, so dass man sichereren Halt gewinnt bis zum Hauptgipfel, der auf der Südwestseite betreten wird.
Die erste Besteigung des Gamsbergs auf dieser Route am 24. Juni 1894 wird im Jahrbuch XXXIII, Seite 349 ff., von J. B. Stoop (Sektion Piz Sol), Dr. E. Haffter (Sektion Rhätia) und Karl Wildhaber (Tscherlach) in Anspruch genommen (siehe auch „Alpina” 1894, S. 127).
3. Von Sennisalp über die Nutz- (nach J. B. Stoop Notz-) halde und einen Schutt- und Schneekegel an den Auslauf der steilen grossen Rinne, welche von P. 2170 zwischen Sichli und Gamsberg-Ostgipfel herunterkommt. Dort, wo auf dem Siegfriedatlas das erste o im Wort «Goldloch» steht, erfolgt gemäss einer gütigst zur Verfügung gestellten Routenbeschreibung des Herrn W. Gastpar (Sektion Toggenburg) der Einstieg über Lawinenschnee auf ein breites Plattenband (Kletterschuhe vorteilhaft). Das Band endigt in einem seichten Sattel eines Gratpfeilers der Südflanke. Dann auf schmaler Felsleiste einige Meter absteigend, eine Rinne querend, durch einen offenen Kamin in netter Kletterei zu dem unter 2. genannten Felsenfenster, das schon im oben erwähnten Sattel sichtbar ist. Das Fenster durchquerend erreicht man einen weiteren Gratpfeiler der Südflanke, der zirka 100 m weit verfolgt wird. Eine Traverse in nordöstlicher Richtung führt auf einen leicht begehbaren Gratrücken, der (im Siegfriedatlas deutlich eingezeichnet) im horizontalen Gipfelgrat zwischen Punkt 2344 und 2383 endigt. Etwa 3 Stunden von Sennis- oder Malunalp.
Auch für diese Route, die jetzt unter den Südanstiegen die gebräuchlichste ist, nehmen J. B. Stoop und Dr. E. Haffter im Jahrbuch XXXIII, Seite 349 ff., wohl mit Recht die Priorität für sich in Anspruch. Datum der Besteigung: 14. Oktober 1894 (siehe auch „Alpina” 1895, Seite 11).
4. Fast nur zum Abstieg kommt die unter 3. genannte Rinne bei Punkt 2170 gegen die Nutzhalde hinab, die man wohl füglich das Zürcher Couloir nennen könnte, in Betracht. Der Aufstieg ist nur möglich, wenn die grösseren überhängenden Absätze im untersten und unteren Teil des Couloirs mit Lawinenschnee ausgefüllt sind, also im Vorsommer oder in nasskalten Sommern. Sonst müssen Flankenumgehungen stattfinden (vgl. die Wege von Gröbli und Veitl weiter unten). Den ersten vollständigen Couloiraufstieg, ohne in die Flanken auszuweichen, machten nach nasskaltem Sommer am 2. Oktober 1910 die Sektion Uto-Mitglieder Joh. Riegg (der später beim Berninaabstieg verunglückte), W. Gemperli und P. Zündel. Sie waren laut mir gewordener Mitteilung um 6 Uhr 50 Min. von der Hütte auf Sennisalp zum Couloir abmarschiert, gelangten dort in einer Viertelstunde leicht über Schnee hinauf bis zur zweituntersten Abseilstelle (7 Uhr 50 Min.), welche sie nur mittels Achselstand überwinden konnten. –
Beim Abstieg geht es etwa 150 m über einen steilen Rasenhang (Steigeisen leisten gute Dienste!) hinunter; dann biegt man ein wenig links in die ziemlich schmale schutterfüllte Felsrinne ein, welche mehrmals von Felsabsätzen, 4, 5, 6, zuletzt 10 Meter hoch, unterbrochen ist, so dass also hier ausgiebiges Abseilen zu handhaben ist. Nach der höchsten untersten Stufe, welche bei aperem Zustande am meisten Mühe verursacht, betritt man den Schnee- und Schuttkegel, den Lawinen und namentlich bei Regenwetter fallende Steine bilden. – Schon am 15. August 1891 versuchten J. B. Stoop und Lukas Pfiffner hier abzusteigen, kamen aber nicht ganz hinab und kehrten wieder zum Sattel 2170 zurück (siehe „Alpina” 1894, Seite 65). Dagegen haben Dr. Gröbli und Dir. Veitl in den 90er Jahren und am 27. Juli 1913 eine Anzahl anderer Mitglieder der Sektion Uto S.A.C. dieses Couloir unter recht erschwerenden Umständen bezwungen. (Am 27. Juli 1913 brach plötzlich ein Gewitter aus, was einen beträchtlichen Sturzbach durch diese Rinne veranlasste; siehe die ausführliche Beschreibung von Aug. Lüssi in der „Alpina ” 1913, Seite 235 ff.). Eine interessante Bemerkung machte W. Gemperli, der diesen Abstieg nun schon zum drittenmal bewerkstelligte, und zwar zuletzt am 23. September 1917 mit den Clubgenossen Dr. H. Koenig, Dr. P. Gysin, Oberingenieur Lukas Meyer in Baden und mir, denen sich beim Abstieg noch die Herren W. Gastpar (Sektion Toggenburg) und Roth (Sektion Rhein) angeschlossen hatten. Die drei vorhergehenden Male fand Herr Gemperli um die gleiche Jahreszeit das Couloir bis weit hinauf zum Teil mit Schnee gefüllt, einzig bei unserer letzten Tour ganz aper, so dass früher die Abseilerei viel leichter war. –
In der „Alpina” 1894, Seite 124/25 und 129/31, berichtet A. Ludwig und im Jahrbuch XXXII, Seite 357, J. B. Stoop noch allerlei Beachtenswertes vom Gamsberg und seinen Nachbarn. Es sei auch auf einige ergänzende Mitteilungen über Besteigungen, Zeiten etc. in der „Alpina” 1901, Seite 158, aufmerksam gemacht.
Verschiedene Versuche und Varianten. Mir gegenüber sprach W. Gemperli von einem am 2. Oktober 1910 mit Joh. Riegg und P. Zündel erfolgten Versuche, zur Gewinnung des „Faulen Ganges” vom Westgipfel über die imposante steile Westwand, die in der damaligen Literatur mit der Südwestwand verwechselt wurde, direkt zur Schefflücke abzusteigen, welcher Versuch jedoch nicht ganz gelang wegen ungenügender Seillänge zum Abseilen im untersten Teile, wozu 60 m Seil erforderlich gewesen wären. Sie wurden, weil sie auch nicht mehr zurück konnten, in die Nordflanke hinausgedrängt und konnten dann dort erst schwierig, nachher leicht hinaustraversieren.
Zum Schlusse glaube ich, der alpinen Literatur im allgemeinen und den Freunden des herrlichen Gamsbergs im besonderen einen Dienst zu erweisen, wenn ich aus dem gütigst in meine Hände gelegten Tagebuch des im Jahre 1903 am Piz Blas verunglückten, ebenso erfolgreichen wie verdienstvollen Bergsteigers Prof. Dr. W. Gröbli (Sektion Uto) die den Gamsberg betreffenden, 5 Jahre lang mit äusserster Hartnäckigkeit wiederholten Versuche und Eroberungen hier wiedergebe. Ständiger Begleiter Gröblis war sein intimer Freund Direktor Jos. Veitl (Sektion Uto), ein vorzüglicher Kletterer, der namentlich durch seine vielen Dolomitentouren seinerzeit Aufsehen erregte. Sämtliche Gamsbergangriffe dieser beiden erfolgten von der Sennis-, bisweilen von der nahen Malunalp, welche jeweilen Samstag nachmittags auf vielen verschiedenen Wegen, meistens von Flums, manchmal aber auch von Walenstadt über Lüsis usw., oder von Sargans über Palfries erreicht wurden. Da das Kurhaus auf Sennisalp damals noch nicht bestand, wurde in einer der vielen Alphütten übernachtet. Ich lasse diese minder wichtigen Vorspiele und ebenso die öfters von Dr. Gröbli als Mathematiker vorgenommenen Höhenbestimmungen hier beiseite.
Versuch zwischen Goldloch und Zürcher Couloir, 12. Mai 1895.
Die verschiedenen Aufsätze über den Gamsberg in der „Alpina” hatten in Veitl und mir den Wunsch erregt, auch einmal den Gamsberg zu besuchen… Um 5 Uhr gehe ich vor die Hütte (auf Alp Sennis); es regnet. Immerhin ist der Gamsberg sichtbar. Nachher verschlafen wir uns etwas, so dass der Abmarsch erst 6 Uhr 51 Min. stattfindet. Wir wollten den Anstieg über das Goldloch nehmen, hatten aber freilich keine rechte Ahnung, wo es sei. Wir gingen ungefähr dem Bache entlang in nördlicher Richtung, immer suchend nach einem geeigneten Einstieg. Frühstücksrast 7 Uhr 52 Min. bis 8 Uhr 16 Min. am Fusse der Schlucht, die sich ziemlich genau nördlich hinanzieht. Zunächst nun ziemlich steil über Schnee hinan; dann kommen Felsen, erst leicht, dann schon ziemlich schwierig. Die enge Schlucht gabelt sich; wir wählen die zur linken, obschon ich die zur rechten für leichter halte. Ein Stück weit noch ordentlich, dann böse Partie. Veitl ist voraus, ich folge am Seil, das wir vor kurzem angelegt hatten, nach. Es wird etwas besser, aber bald kommen noch schlechtere Stellen: steile Hänge, teils Rasen, teils Fels, aber unzuverlässig. An einer Stelle will ich seitlich vorausgehen, aber nach wenig Schritten sind Veitl und ich ungefähr nebeneinander, und keiner darf mit Sicherheit den nächsten Schritt wagen. Hält der Griff, so ist’s gut; wenn nicht, dann kann keiner den andern halten. Veitl riskiert endlich seinen Schritt, und dann ist’s für mich keine Kunst mehr. Nun nicht mehr gerade schwierig. Um 10 Uhr 10 Min. ist die Scharte „Zwischen den Bergen” erreicht. Die Aufregungen der letzten zwei Stunden haben uns so zugesetzt, dass wir in der nächsten Viertelstunde alle Augenblicke ruhen mussten. Jenseits geht’s auf ziemlich flachem Schneefeld leicht hinunter. Wir sind wohl die ersten, die diese Passage gemacht haben. Herr Stoop versuchte einmal den Abstieg, kam aber nicht hinunter. Die Kirche Wildhaus ist sichtbar. Weiter 10 Uhr 23 Min. Wir verfolgen den Grat gegen Westen, müssen ihn dann verlassen, probieren erst links, müssen aber umkehren und das Schneefeld auf der Nordseite betreten. Ziemlich mühsame Schneestampferei und gegen den Schluss recht steil. Bevor wir den Grat wieder erreichen, noch über plattige Felsen schwierige Traverse. Um 11 Uhr 20 Min. sind wir auf einem Vorgipfel (gemeint ist der Ostgipfel, 2344 m). Man sieht noch den Rhein und Flums, aber sofort kommt Nebel und starker Schneeriesel. Veitl erklärt, nicht weiter zu gehen, und so, wie das Wetter ist, ist meine Lust auch nicht gross. Abstieg 11 Uhr 28 Min. In etwa 1/2 bis ¾ Stunden würden wir das Ziel jedenfalls erreicht haben. Höhe etwa 2300 m. Bald sind wir unten im Tälchen, dann folgen verschiedene Rutschpartien. Etwas links bleibt Alp Langen (Langgner), die zwei anderen Hütten (Dufourblatt 9, 1770 m) zur Rechten nicht sichtbar. Wir folgen dem Bache, der noch meist schneebedeckt ist, bis wir zum Wasserfalle kommen, oberhalb des Voralpsees, den wir schon ziemlich lange gesehen haben. Nun etwas hinan und östlich hinüber zum anderen Bach, der sich bald mit dem ersteren vereinigt. Um 12 Uhr 48 Min. sind wir am See. Das Wetter ist schon längst wieder gut geworden. Weiter 1 Uhr 15 Min.; herrlicher Marsch hinaus nach Grabs. Um 2 Uhr 59 Min. am Bahnhof Buchs. Heimfahrt in starkem Regen.
Versuch zwischen Goldloch und Zürcher Couloir, 18. Aug. 1895.
Wir brechen um 5 Uhr 10 Min. (von Sennisalp) auf, gehen den gleichen Weg wie im Mai, immer nach dem Goldloch ausspähend, und sind um 6 Uhr 16 Min. am Fusse der Schlucht, durch die wir damals anstiegen. Direkt durch die Schlucht geht der Weg jetzt kaum mehr wegen der Felsabsätze, die im Frühling der Schnee verdeckte; dagegen würde man etwas rechts ansteigen können und oben hineintraversieren. Wir wollen nun aber eine Schlucht etwas mehr links probieren. Der Anfang geht ganz gut; bald aber kommt ein Absatz, wo wir seitlich links ausweichen müssen. Ziemlich schwierig; ich ziehe die Schuhe aus und steige hinan; nachher folgt Veitl, der Kletterschuhe mitgenommen hat. Ich ziehe meine Schuhe wieder an, Veitl bleibt in den Kletterschuhen. Es geht wieder besser; nach einiger Zeit erreichen wir einen der herabziehenden Grate und könnten nun leicht in das Couloir vom Frühling hineinsteigen; wir halten uns aber links. Das Gehänge, Rasen und Fels, wird steiler, und endlich kommt eine Stelle, die uns, weil zu exponiert, zur Umkehr veranlasst. Ich notiere noch, dass wir den Anstieg in die Felsen 6 Uhr 56 Min. begannen und die Umkehr 8 Uhr 45 Min…. Ab Fels 10 Uhr 20 Min…. So wie wir uns vom Berge etwas entfernten, entdeckten wir auch das Goldloch. Das breite Band, das zu ihm führt, hatten wir wiederholt betrachtet, aber aus einer gewissen Entfernung schien es gar nicht gangbar zu sein…
Goldlochroute, 1. Sept. 1895.
Fort 5 Uhr 33 Min. (ab Malun). Rast beim Brunnen am Notz 5 Uhr 4 Min. bis 6 Uhr 13 Min. Wir beobachten 9 Gemsen, die sich oberhalb des Goldloches den Berg hinaufflüchten. Am Berg 6 Uhr 33 Min. bis 6 Uhr 34 Min. Das Band, das von ferne ungangbar erschien, ist ganz leicht im Anfang; später werden die Felsen etwas glatt, aber man kommt ganz gut hinan. Mit Kletterschuhen könnte man jedenfalls hinaufspazieren. Von 6 Uhr 51 Min. bis 7 Uhr sind wir im Goldloch, wo die von Stoop aufgehängten Porträts der Bundesräte noch sind. Bei der Fortsetzung kommen wir sofort zu einer Schlucht und erblicken jenseits in der Höhe das Felsenfenster. Wir klettern auf dieser Seite durch Legföhren und über Rasen hinan, in der Meinung, oben schon eine Traverse zu finden, sehen uns aber um 7 Uhr 25 Min. zur Umkehr genötigt. Beim Rückweg verliert Veitl seinen Hut wegen der Legföhren. Um 7 Uhr 33 Min. erfolgt nun der nicht ganz leichte Einstieg in die Schlucht durch ein abwärts führendes, schmales Band; dann geht’s ziemlich steil, aber nicht nennenswert schwierig über Fels und Rasen hinan. Rast 7 Uhr 50 Min. bis 7 Uhr 55 Min., ferner nach Passieren des Fensters 8 Uhr 8 Min. bis 8 Uhr 16 Min. Nun eine Strecke weit einen Grat hinan, dann allmählich etwas rechts haltend, mit einigen Schwierigkeiten, die sich aber bei besserer Kenntnis vermeiden lassen. Veitl wird wieder unwohl. Rast 9 Uhr 33 Min. bis 9 Uhr 47 Min., auf dem Gipfel 9 Uhr 56 Min. Eine Minute später auch Veitl… Ich gehe allein, da Veitl keine Lust mehr hat, hinüber zum anderen Gipfel, der Fahne und grossen Steinmann trägt. Ganz interessante, nicht schwere, aber Vorsicht erheischende Wanderung. Fort 10 Uhr 15 Min., drüben 10 Uhr 25 Min. bis 10 Uhr 30 Min. Die Fahne ist erst einige Wochen oben und schon zerrissen. Wieder auf dem Gamsberg 10 Uhr 38 Min. Ich wäre gern dahin gegangen, von wo wir im Frühling herkamen, aber Veitl wollte nicht, weil er darauf spekulierte, seinen Hut wieder zu bekommen. Fort 10 Uhr 50 Min., Felsenfenster 11 Uhr 33 Min. bis 11 Uhr 35 Min., Goldloch 11 Uhr 58 Min. bis 12 Uhr 1 Min., ab Fels 12 Uhr 9 Min.
Freitag, 11. Okt. 1895, Gamsberg geplant, aber wegen grossen Schneefalls Verzicht. – 30./31. Mai 1896 mit Veitl Absichten auf Gamsberg, Wetter zweifelhaft. Gamsberg hat noch viel Schnee. Darum Verzicht. –
Goldlochroute, 30. Aug. 1896, mit Veitl und Bäumler.
(Von Sennisalp) fort um 9 Uhr 18 Min. Rast zum Frühstücken 6 Uhr bis 6 Uhr 17 Min. Mein Plan war eigentlich gewesen, den Anstieg zum Pass „Zwischen den Bergen” zu machen, allein wir fanden schliesslich, es sei doch besser, über das Goldloch zu gehen. Einstieg in die Felsen (der Lawinenschnee liegt hier noch zirka 8 m tief) 6 Uhr 30 Min. bis 6 Uhr 33 Min. Im Goldloch 6 Uhr 58 Min. bis 7 Uhr 9 Min… Man kann Goldloch zu rund 1800 m annehmen. Um 7 Uhr 30 Min. sind wir in der Schlucht, von wo es nun zum Felsenfenster hinangeht, das wir 8 Uhr erreichen. Weiter 8 Uhr 8 Min. Beim Anstieg zum Gipfel gehen wir etwas zu weit hinan, ehe wir zum östlichen Rücken hinübertraversieren, und bekommen so einige unangenehme Stellen. Um 9 Uhr 32 Min. sind wir oben. Recht schöne Aussicht, herrlich namentlich die Glarner… Beim Aufstieg trafen wir gelegentlich kleine Flecken frischen Schnees; auf der Nordseite ist der Berg ziemlich stark verschneit bis gegen 2200 m hinab. Weiter 10 Uhr. Wir wollen nun den Grat in östlicher Richtung verfolgen, um zu dem Vorgipfel zu gelangen, den wir im Mai 1895 erreichten. Wir binden uns nun ans Seil, da der Grat gelegentlich verlassen werden muss und die Nordseite wegen des Schnees etwas unangenehm ist. Um 10 Uhr 37 Min. ist diese Umkehrstelle erreicht. Unter normalen Verhältnissen eine Viertelstunde genügend. Nun etwa 10 m absteigend; dann zieht sich fast ins Tal hinunter schnurgerade ein enger Riss, jetzt etwas schneeerfüllt, in dem man, weil er so schmal ist, gut hinunter kommt. Links sind alles glatte, plattige Felsen. Wir steigen etwa 70 m weit hinunter, bis wir rechts aussteigen und bequemeres Terrain finden. Ab Seil. Um 11 Uhr 2 Min. sind wir auf dem Sattel „Zwischen den Bergen”, ziemlich genau 2200 m. Weiter 11 Uhr 8 Min. Nach kurzer Zeit kommt ein Rudel von 8 Gemsen vom Gamsberg und stürmt gegen den Glanenkopf hinauf. Eine Gemse mit einem Jungen ganz nahe, vielleicht 100 m. 11 Uhr 43 Min. bis 11 Uhr 45 Min. sind wir bei den zwei Hütten von Langenalp (1770 m) und gehen nun hinüber zu dem Weg, der unter dem Kopf durchführt. 11 Uhr 51 Min. bis 11 Uhr 53 Min. beim Schlössli…; dann nach Grabs und Buchs hinab.
Goldlochroute im Nebel, S. Oktober 1897, mit Veitl und Amberg.
[Von Sennisalp] im Nebel fort 6 Uhr 7 Min.; am Berg 6 Uhr 53 Min. bis 7 Uhr. Im Goldloch 7 Uhr 14 Min. bis 7 Uhr 23 Min; im Felsenfenster 8 Uhr 4 Min. bis 8 Uhr 14 Min. Wir steigen wieder zu hoch hinan… Ich finde, es sei vorsichtiger, Amberg das Seil hinunterzulassen, wobei der Rucksack hinunterpurzelt… Um 9 Uhr 36 Min. war ich oben, die anderen etwa 5 Minuten später. Immer im Nebel. Weiter 9 Uhr 53 Min.; um 10 Uhr 8 Min. waren wir im Sattel, wo wir beim ersten Versuch umgekehrt waren. Weiter 10 Uhr 10 Min.; nun die Rinne der ganzen Länge nach hinab. Amberg und ich noch zum Grat „Zwischen den Bergen” hinüber, wo wir 10 Uhr 28 Min. bis 10 Uhr 29 Min. waren… Grabs 1 Uhr; Buchs 1 Uhr 40 Min.
13./14. Oktober 1897 zum Gamsberg, um den Rucksack zu suchen. Vergeblich.
Zürcher Couloir, 11. Sept. 1898, mit Veitl.
[Von Sennisalp] fort um 5 Uhr 36 Min. Wir wollen den Anstieg zum Pass „Zwischen den Bergen” wiederholen, den wir beim ersten Gamsbergversuch machten. Um 6 Uhr 34 Min. sind wir beim obersten Schneefeld, wo der Einstieg zu beginnen hat, und zwar auf der rechten Seite von unten gesehen. Der Einstieg geht hier nicht gut, da zwischen Fels und Schnee ein tiefes Loch ist. Veitl probiert an den Felsen (wie man nachher sah, dürfte es kaum gehen); ich gehe unterdessen etwas zurück, überschreite den Schnee und gewinne von links leicht den Einstieg. Ich gehe zurück und rufe Veitl, der nun auch kommt. Der Anstieg im Couloir geht erst leicht; dann kommt die böse Stelle, die wir am 12. Mai 1895 überwinden konnten, weil alles mit Schnee angefüllt war. Etwa 4 m über uns ist ein eingeklemmter Block; die Wände beiderseits sind fast senkrecht und bieten keine Griffe. Ein Sepp Innerkofler würde schon hinaufkommen; wir wollens nicht riskieren, da wir von unserem zweiten Versuch, 18. August 1895, einen anderen Zugang zum oberen Teil des Couloirs kennen. Ich trage noch nach, dass wir den Anstieg in der Schlucht 6 Uhr 46 Min. begannen, nach etwa 3 Minuten an der kritischen Stelle waren und etwa 5 Minuten später umkehrten. Wir mussten etwa 30 m absteigen, bis wir um 7 Uhr in die andere Schlucht einsteigen konnten. Auch hier geht ‘s erst leicht; dann kommt die schwierige Stelle, wo ich damals in Strümpfen anstieg, und zwar seitwärts rechts. Veitl will im Couloir selbst probieren, ich am alten Orte. Ich merke gleich, dass ich wieder die Schuhe ausziehen müsste und denke, ich wolle mal sehen, wie’s Veitl geht. Es geht schwer; nur dadurch, dass er auf meinen Pickel stehen kann, gelingt es ihm, hinaufzukommen. Ich dann am Seil nach. Fortsetzung wieder ziemlich leicht. Etwas nach 7 Uhr 40 Min. sind wir da, wo ins Hauptcouloir eingestiegen werden kann, und zwar müssen wir etwa 20 m absteigen. Um 7 Uhr 45 Min. sind wir im Couloir. Etwa 30 m unter uns befindet sich der Block, unter dem wir umkehrten. Der Anstieg im Couloir geht wieder eine Zeitlang gut, dann folgt wieder eine schwerere Stelle. Veitl probiert zweimal, muss aber beidemal zurück, weil der Sack sich einklemmt, resp. das zweitemal fällt er herunter. Nun probiere ich, allerdings ohne den Sack, und bin bald oben. Veitl reicht die Säcke und Pickel hinauf und kommt dann am Seil nach. Nun Rast 8 Uhr 30 Min. bis 8 Uhr 40 Min. Nach einiger Zeit gabelt sich das Couloir; wir nehmen nun das Couloir zur rechten, wie ich vor 3 Jahren schon wollte. Es geht recht gut; nur einmal kommt eine böse Stelle. Bei einer kleinen Gabelung meine ich, rechts sei’s besser, Veitl links. Ich sage, meinetwegen rechts oder links und steige links voran. Es geht erst ganz gut, und dann kommt die Schwierigkeit. Veitl meint, es gehe doch, steigt voran, sieht aber nun, dass es schwerer ist, als er dachte. Immerhin erzwingt er’s, und ich verlasse mich dann für einen Tritt aufs Seil. Von nun an (auch bald nach der Hauptgabelung schon) meist auf dem Rücken zwischen den beiden Couloirs, meist Rasen. An einer Stelle machen wir einen kleinen Steinmann. Ohne Schwierigkeiten zur Passhöhe hinan, die wir etwas rechts vom tiefsten Punkt erreichen, um 9 Uhr 50 Min. Rast bis 10 Uhr 7 Min. Nun hinüber zur Rinne, die wir der ganzen Länge nach benutzen. Rucksäcke und Pickel lassen wir zurück. Beginn des Anstieges 10 Uhr 13 Min., oben an der Rinne nach raschem Steigen 10 Uhr 33 Min. bis 10 Uhr 35 Min. Auf dem Gipfel 10 Uhr 48 Min. bis 11 Uhr 3 Min…. Wieder oben an der Rinne 11 Uhr 12 Min. bis 11 Uhr 13 Min. Bei der Langgner Alp 12 Uhr 4 Min. bis 12 Uhr 7 Min; am Bahnhof Buchs 2 Uhr 30 Min.
Scheffroute, 11. Juni 1899, mit Veitl.
[Ab Sennisalp] fort um 4 Uhr 50 Min., noch nicht ganz entschlossen, ob Anstieg durch den Faulen Gang oder vom Schiff her. Wir steigen rechts der Grossplangg hinan auf einem Rücken, der noch vom eigentlichen Massiv getrennt ist. Rast 6 Uhr 22 Min. bis 6 Uhr 23 Min.; Höhe 1989 m. Der Eingang zum Faulen Gang ist uns gegenüber, etwa 40 m tiefer, also 1950 m. Etwa 100 m höher, also rund 2100 m, ist ein weiterer Einstieg, durch die Felsenkluft, wie Stoop ihn nennt. Wir steigen nun allmählich gegen den Berg an, kommen schliesslich ganz an die Wand hinan, die von Punkt 2368 abfällt und erreichen ihr entlang um 7 Uhr 8 Min. die Lücke zwischen Gamsberg und Schiffberg. Wir gehen erst zum letzteren hinüber, sind dort 7 Uhr 13 Min. bis 7 Uhr 20 Min., wieder unten 7 Uhr 22 Min.; und nun der Nordseite entlang. Nach wenigen Minuten scheint ein Anstieg nicht sehr schwierig zu sein. Bei dieser Stelle 7 Uhr 26 Min. bis 7 Uhr 31 Min.; nun etwa 30 m Anstieg, dann wird die Sache so, dass wir umzukehren beschlossen. Es geht schon, aber wir müssen uns erst wieder trainieren. Wieder unten 7 Uhr 55 Min. Nun hinüber zum Rücken, der von den „Weissen Frauen” her kommt, und gleich jenseits Anstieg, um 8 Uhr 14 Min. Ohne erhebliche Schwierigkeit hinan; um 8 Uhr 48 Min. oben, ganz nahe dem höchsten Punkt. Um 8 Uhr 50 Min. hinüber zu Punkt 2368; dort 9 Uhr bis 9 Uhr 4 Min.; wieder zurück und ½ Minute später auf dem Gipfel… Ab Gipfel 10 Uhr; oben an der Rinne 10 Uhr 12 Min, und im Sattel 2170 von 10 Uhr 26 Min. bis 10 Uhr 30 Min. Nun auf der Südseite hinunter so, wie letzten Herbst hinauf; nach einiger Zeit meist in der Rinne. Alles ganz gut bis in die Nähe der schwierigen Stelle, wo wir von unten her mehr links gegangen waren. Die Rinne wird schwieriger; wir befestigen einen Seilring und gelangen mit einigen Hindernissen hinunter. Veitl liess mich zu weit absteigen; als er nachkam, reichte das Seil nicht, und ich musste wieder ein Stück hinan. Der untere Teil des Abstieges ganz leicht, weil alles noch tief mit Schnee bedeckt. Um 11 Uhr 40 Min. verlassen wir den Berg, suchen weiter unten Blumen und sind 12 Uhr 40 Min. in Sennis. Dr. C. Täuber (Sektion Uto).
(Quelle: SAC Jahrbuch 1918)