Von Richard Schweizer (Sektion Uto)
Eine herrliche Naturszenerie entrollt sich uns, wenn wir die Bahnstrecke Weesen-Walenstadt zurücklegen, angesichts des Walensees, eines der schönsten und eigenartigsten Gewässer der Schweiz, sei’s dass dessen dunkelblaue Flut in majestätischer Ruhe hingebettet liegt, sei’s dass weissschäumende Wogen über seine grüne Fläche dahinjagen; angesichts der gewaltigen Gebirgskette jenseits, die sich über dunklen Wäldern, über prangenden Matten jäh emporschwingt und deren wuchtige Zinken gleich reckenhaften Kriegern Front stehen! Kühn ragen ihre Häupter ins Blau des Himmelsgewölbes, wenn nicht wilde Nebelfetzen in phantastischen Gebilden sie umkreisen oder schwere, schwarze Wolkenmassen unserm Auge gänzlich verhüllen. Das sind die «Churfirsten». Zag und mit geheimem Schauer schweift der Blick hinüber zu jenen trotzigen Gesellen, deren schroffe, Verderben drohende Felswände sich unnahbar zeigen. Und doch vermöchte ein scharfes, geübtes Auge drüben an jenen Wänden zuweilen dunkle, scheinbar unbewegliche Punkte zu erspähen: Es sind furchtlose Bergsteiger, die auf schmalen Pfaden, über schwindlige Bänder und Gesimse jene Wände querend sachte emporstreben, um dann zwischen zwei Schultern durchzuschlüpfen und von der betreffenden Lücke aus endlich einen Gipfel zur Rechten oder Linken zu erklimmen.
Mit wenigen Ausnahmen werden die Churfirsten von der Süd-, also von der Seeseite her, nicht häufig bestiegen; der Grund hiefür ist vielleicht einerseits neben dem Bedenken, den der schreckhafte Anblick dieses Felsengebirges in seiner Grossartigkeit und scheinbaren Unzugänglichkeit aufkeimen lässt, in erster Linie wohl dem Umstande zuzuschreiben, dass tatsächlich die Bezwingung der Mehrzahl seiner einzelnen Spitzen ziemlich weitgehende Ansprüche an die Leistungsfähigkeit des Touristen stellt und dabei bergtechnische Eigenschaften voraussetzt, welche das dem Durchschnitt der Alpensport pflegenden Gesellschaft zur Verfügung stehende Mittelmann in der Regel um ein Bedeutendes überragen; andererseits dem Mangel an Kenntnis dieser Berge und ihrer zum Teil versteckten südlichen Zugänge überhaupt. Das sind die Ursachen, die die Gipfelkette der Churfirsten als allgemein bergsportlichen Tummelplatz weder geeignet erscheinen lassen, noch die Gefahr in die Nähe rücken, sie könnten in absehbarer Zeit dazu auserkoren werden; gleichwohl dürfte bei dem rapiden Aufschwung und der heutigen breiten Überhandnahme bergsteigerischer Neigung, Betätigung und Leidenschaft dieses schöne und lohnende, so ausserordentlich günstig gelegene Alpengebiet künftighin häufiger von jugendlichen, nach selteneren Unternehmungen trachtenden Bergfreunden in den Zielkreis ihrer Bergfahrten hineingezogen werden, als dies verhältnismässig bisher der Fall war, umsomehr, da sich die Verkehrsgelegenheiten neuerdings auch in dieser Gegend sehr erheblich verbessert und erweitert haben: Eine bequeme neue Fahrstrasse führt zur Höhe des Walenstadter Berges, auf dessen luftigen Terrassen bis hinauf zur Schrinenalp (Pension Schrina-Hochrugg, 1333m) Wirtschaften und Sommerfrischen gastliche Unterkunft bieten und auch für längeren Aufenthalt bei bescheidenen Ansprüchen eingerichtet sind; ferner haben der Kur- und Verkehrsverein Walenstadt und Berg, sowie die Section Piz Sol des S.A.C durch Wegmarkierungen, Unterhalt bestehender und Bau neuer, zum Teil kühn angelegter Wege ihr Bestes getan, um damit auch einem weniger geübten, aber doch berggesinnten Kreise von Naturfreunden eine herrliche Alpenwelt zu erschliessen und ihm in derselben genussreiche und unbeschwerliche Wanderungen zu ermöglichen.
Da der Verfasser der vorliegenden Abhandlung seit einer Reihe von Jahren die Churfirsten als Ziel seiner Frühjahrs- und Vorsommerexkursionen gewählt hat und seines Wissens über dieses eigenartige Alpengebiet hinsichtlich touristischer Beschreibungen in der umfassenden Form, wie es hier geschehen soll, bis anhin wenig und nur Fragmentarisches publiziert worden ist, versucht er gerne, seine durch praktische Studien erworbenen gründlichen Kenntnisse dieser Gebirgsgruppe in einer allgemeinen, übersichtlichen Schilderung derselben sowie in einer Wegleitung zu ihrer Besteigung niederzulegen, in der Annahme, dass die Mitteilung hierüber für manchen seiner Clubgenossen von Interesse sein werden.
Die Kette der Churfirsten, welche, wie man sich durch einen Blick über die geologischen Verhältnisse des Toggenburgs überzeugen kann, nach der Längsrichtung der Schichtenfalten zu den Hauptzügen des Säntisgebirges gehört, bildet der Gebirgszug zwischen der Amdener Höhe ostwärts und der «Niedere» westwärts, der Einsenkung zwischen dem Rosenboden (2200m) und dem Höchst (2028m), also vom hintern Leistkamm bis zum Tristenkolben. Von da nimmt die Kette unter dem Namen Alvier- oder Faulfirstkette in kräftigem Bogen nach Südosten ihre Fortsetzung und schliesst ab mit dem Gonzen oberhalb Sargans. Die Hauptkulminationspunkte der letzteren sind der Sichelkamm, Gamsberg, Faulfirst (Höchsterhebung mit 2385m), die Gauschla und der Alvier. – Bleibt in geognostischer Beziehung die Struktur der Alvierkette im Wesentlichen dieselbe wie diejenige der Churfirsten, so zeigt sich dagegen dort ein auffallender Unterschied in der Formation. Der Bau wirkt durch höhere und gedrungenere Massen, die Gliederung wird mannigfacher, ausgedehnter, verzweigter; die Höchsterhebungen verlaufen zum Teil horizontal und kammartig, und endlich treten dabei die den Churfirsten so eigentümlichen nördlichen flachen und langgestreckten Abdachungen oder Rücken (First, Rugg oder Ruck) nicht in derjenigen typischen Form und Regelmässigkeit zu Tage, die eben diesen das charakteristische Gepräge gibt und daher auch den Namen verlieh.
Die Churfirsten entwickeln sich auf der Südseite aus dem Fundament eines mehrfach gestuften Terrassenbaues und schiessen dann plötzlich nahezu senkrecht zur gewaltigen Felsenmauer empor, aus der sich, eine seltsame, viel bewunderte Zackenreihe bildend und durch tiefe und scharfe Einschnitte voneinander getrennt, die Gipfelstöcke gebieterisch erheben. Wir unterscheiden für unsere Zwecke eine Vorgruppe, eine Zwischengruppe und eine Hauptgruppe nebst Anhang. Keines der Felsenhörner lässt sich über die Südwand (als Ausnahme kann man allenfalls den Frümsel gelten lassen) direkt zur Spitze bezwingen; diese Möglichkeit ist von vornherein ausgeschlossen; will man sie von Süden ergreifen, so muss der Weg zu und durch eine der Lücken genommen werden und der weitere Anstieg entweder über den Nordrücken, oder, wenn tunlich, über die Flanke geschehen. So wenig vertrauenserweckend aber, so anstrengend, ja teilweise schwierig und gefährlich weitaus die meisten Besteigungen von Süden sind, so freundlich dagegen, harmlos und verhältnismässig unbeschwerlich erweisen sich mit wenigen Ausnahmen diejenigen von Norden. Ich will daher zunächst die nördlichen Anstiegsrouten kurz besprechen und dabei eine flüchtige Bekanntschaft mit den Gipfeln der Churfirsten vermitteln. – Es sei noch zum Voraus betont, dass ich, in der Folge absichtlich, meine Exkursionen dahin fast ausnahmslos im Vorsommer unternahm. In der Tat nämlich halte ich diesen Zeitabschnitt, also etwa den Monat Juni, für Touren in unserem Gebiete für am Vorteilhaftesten: Während die Südseite bereits sozusagen schneefrei ist und die dort zu begehenden Felspartieen gewöhnlich vollständig aper zu sein pflegen, liegen auf der Toggenburgerseite dagegen meist noch gewaltige Schneemassen, welche sich indes unter Umständen als willfähriges, promptes Beförderungsmittel nach der Tiefe zu recht nützlich erzeigen; andrerseits auch läuft man hier so nicht Gefahr wie im Hochsommer und Herbst, unter starkem Wassermangel zu leiden, und nicht zuletzt, sofern wir unsere Kette als vorzüglich geeignetem Trainierungsgebiet einen Vorrang einräumen wollen, wird die Tour dadurch auch nach der bergtechnischen Seite hin anziehender für denjenigen Alpinisten, der sich dabei etwa auf spätere, grössere Unternehmungen im Hochgebirge vorbereiten, üben und stählen will.
Bei den nun folgenden Wanderungen sind daher stets die relativen Verhältnisse des erwähnten Jahresabschnittes massgebend in Berücksichtigung zu ziehen.
I Die Gruppe der Leistkämme (Vorgruppe)
Hinter Leist-, Mittler Leist-, Vorder Leistkamm; Mooskamm (Glattkamm)
1. Der Hinter Leistkamm 2105m. Meistbesuchter Berg der Kette. Von Weesen über Amden auf gutem Wege über Wiesengelände, durch Ried und Tannenwald zu der jähen Abbruchstelle und Einsenkung östlich vom «Fliegenspitz», 1683m (Wasserscheide). Dieser Punkt wird ebenfalls von Starkenbach aus im Toggenburg bequem erreicht. Nun rechts abbiegend im Zickzack durch niedriges Gesträuch auf den untern Bergrücken und zur Gratkante; längs derselben mässig ansteigend zur Kuppe (Signal).
Erwähnt sei auch, doch nicht empfohlen, weil erheblich weiter und beschwerlicher, der Anstieg von Amden aus über die Leihbodenalp und die westliche Gratkante.
Über die steile Ostflanke des Hinter Leistkamm lässt sich unschwierig hinabklettern in den Talkessel («Thäli»), von wo aus die folgenden Berge nach Wahl zu nehmen sind.
2. Der Vorder Leistkamm (nach T. A. No. 250 1:50000 2106m, nach T. A. No. 253 1:25000 nur 2094m). Weg derselbe wie oben bis zum untern Bergrücken des Hinterleist; dieser wird auf steinigem, etwas plattigem Pfad horizontal östlich traversiert hinüber zum «Thäli». Nun schräg empor in den Hintergrund desselben und über starke Rasenabhänge zur Spitze.
3. Der Mittler Leistkamm 2099m. Nicht unschwierig. Er liegt quer im Hintergrund des Talkessels zwischen den beiden Vorgenannten, je durch scharfe Lücken isoliert; sein Unterbau ist mit einem Felsenwall von beträchtlicher Höhe umgürtet, die Gipfelkuppe mit einem Rasenmantel geschmückt. Seine Ersteigung kann geschehen
a) von seiner westlichen Lücke aus, welche durch einen riesigen, markanten Felskopf (2029m) in der Mitte gesperrt wird, mittelst Kletterei über gutgestufte Felsen. Ihr Zugang führt zumeist über noch tiefen Schnee empor, wobei man sich nicht zu stark neben der Wand halten soll, wo die Schneeschicht stark unterhöhlt ist;
b) von seiner östlichen Lücke aus, bzw., etwas unterhalb derselben. Über eine kleine Wandstufe, dann über ein schmales Gesimse und leicht zur Spitze;
c) direkt von Norden. Über das Rasenband zum Fuss der Felsenmauer und Erkletterung derselben. Schwierig und tückisch. –
Von der Besteigung auf diesem Wege ist entschieden abzuraten. In ihrem untern Teil lässt sich die Wand gut an; nach oben zu mehren sich die Schwierigkeiten in bedenklichem Masse durch fast gänzliches Fehlen solider Stützpunkte und Griffe, sicherer Tritte und festwurzelnder Grasbüschel. An dieser Stelle hatten wir im Frühjahr 1904 einige im höchsten Grade kritische und verhängnisvolle Augenblicke zu bestehen, die wir nicht vergessen werden. Mein Kamerad Alfr. Brunner, Section Uto, ca. 12 m über mir arbeitend, war eben im Begriff, sich an einem anscheinend festsitzenden Felsblock emporzuziehen und damit die letzte böse Stufe zu überwinden, als derselbe, wie er befürchtet, krachend losbrach. Mit Geistesgegenwart und übermenschlicher Anstrengung vermochte sich B. der wuchtigen Last entgegenzustemmen, sie einige Sekunden mit Brust und Armen aufzuhalten und schliesslich seitwärts abzuwälzen. Wäre ihm dies nicht gelungen, der niederstürzende Block hätte mich mit unfehlbarer Sicherheit zerschmettert in die Tiefe gerissen. Mit Aufbietung seiner letzten Kräfte gewann B. die obere Terrasse. Da ich aber meinerseits nach diesem Vorfall der Hülfe bedurfte, kletterte er nun über leichtere Stufen zu mir herunter, jedoch ohne mir auf Picklnähe beikommen zu können. Ich war daher gezwungen, ungeachtet meiner exponierten Lage, den einzigen Griff fahren zu lassen, in gefährlicher Balance den Rucksack abzulegen, ihm das Seil zu entnehmen und B. zuzuwerfen. Dank dieser geglückten Manipulation war das Abenteuer bald bestanden, die Aufgabe gelöst. Den Abstieg nahmen wir auf der oben unter b) bezeichneten Route.
4. Der Mooskamm (T. A. Glattkamm, 2081m?). Das auf drei Seiten bergumschlossene «Leisttäli» (auch «Kalttäli» genannt) wird im Osten durch einen aus saftigen Schafweiden sich jäh emporschwingenden schmalen Bergrücken begrenzt, der seinen Gipfelbau von Norden nach Süden entwickelt und dort mit einer starren, senkrechten Felswand, unmittelbar beim Vorder Leistkamm, plötzlich abbricht. Vom «Täli» aus gesehen wirkt die mit dunklem Grün bekleidete und meist im Schatten ruhende Gestalt des Mooskamms düster und melancholisch, ja fast tragisch; vom Vorderleist dagegen präsentiert er sich als mächtiger, feierlicher gothischer Dom mit Turm und Kuppel. Seine Form hat tatsächlich nach meiner Ansicht etwas Imposantes, Weihevolles, und gewinnt noch bei mehrfacher und längerer Betrachtung um so eher, als man fast vergeblich nach den Stellen zu spähen strebt, wo die schroffe Fluh zwecks ihrer Besteigung am besten anzupacken wäre. Um hierin ein Resultat zutage zu fördern, rückte ich 1901 dem klotzigen Gesellen mit Clubgenosse H. Meier zu Leibe. Zum Anstieg kommt sozusagen einzig diejenige Stelle in Betracht, wo die glatte Rasenflanke des Berges kehlenartig sich vertieft. Äusserst steil und streng kletterten wir, Grasbüschel und wenige vereinzelte, mehr oder minder solid verankerte Steine als Handhabe benützend, zum Kammrücken empor und gelangten dann leicht, zu unserer nicht geringen Verwunderung durch fast meterhohes elastisches Moos stampfen müssend, zur Spitze. Hier errichteten wir aus den wenigen herumliegenden Felsstücken ein kleines Steinmannli, welches, wie ich dieses Frühjahr zu meiner Freude konstatieren konnte, bis heute Sturm und Wetter getrotzt hat und noch gar unentwegt Zeugnis ablegt von jener mutmasslichen Erstbesteigung. Die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit einer solchen schlossen wir nämlich damals aus dem Umstande, dass wir auch nicht das geringste Zeichen einer menschlichen Spur wahrnehmen konnten; andrerseits ist es wohl begreiflich, wenn dem Berg, weil nicht vorgelagert und von beschränkter Aussicht, also von untergeordneter Bedeutung und daher zu wenig «Reize» bietend, bis anhin geringe oder gar keine Beachtung geschenkt wurde.
Den Abstieg vollzogen wir nicht auf demselben, sondern überschritten den Rücken in seiner ganzen Länge, und kletterten, das Seil in unsere Dienste nehmend, über den zum Grat zugeschärften nördlichen, sehr faulen, brüchigen Felsabsturz ohne erhebliche Schwierigkeiten hinunter. Auch zum Anstieg dürfte diese Route benützt werden, wenn auch mühsamer und beschwerlicher als die erstgenannte.
Anmerkung: Ich habe diese kräftige und charakteristische Bergfigur «Mooskamm» getauft, während und obwohl sie der T. A. 1:25000, Blatt 253 als «Glattkamm» bezeichnet, ein Name, der so unzutreffend als möglich gewählt ist; es wäre wünschenswert, dass der Name «Mooskamm», der zugleich dem Kuriosum ihrer Gipfelbeschaffenheit Rechnung trägt, an seine Stelle träte und Aufnahme fände. (Auch «Moosleist» wäre passend.) Im Weiteren ist der Berg auch topographisch auffallend nachlässig gezeichnet, ohne jegliche Plastik, der Wirklichkeit nicht annähernd entsprechend, eine Enttäuschung auch für den erfahrensten Kartenleser. Diese Aussetzung trifft übrigens auch für andere Teile desselben Blattes zu, z.B. den benachbarten Nägeliberg. – Und vollends scheint mir die Höhenquote 2081 unrichtig zu sein. Vom Vorder Leistkamm aus, 2094m, also in unmittelbarster Nähe und auf so kurze Distanz, dass von optischer Täuschung gar nicht mehr die Rede sein kann, scheint der Mooskamm entschieden höher, jedenfalls beträgt die Differenz nicht 13m. Überhaupt ergeben die Höhenangaben dieses Blattes gegenüber demjenigen im Massstabe von 1:50000 in mehreren Fällen beträchtliche Unterschiede.
II Die Zwischengruppe
Nägeliberg (Tisch), Scheere, Wart.
Die Höchsterhebungen dieser, sowie einzelne der folgenden Hauptgruppe gehören vermöge ihrer leichten Zugänglichkeit und relativen Unbeschwerlichkeit vom lieblichen Toggenburg aus zu den oft bestiegenen Gliedern unserer Kette. Von Starkenbach, Alt St. Johann, Unterwasser, Wildhaus gelangt man auf guten Waldpfaden zu den ausgedehnten Selun-, Breiten-, Silamatt- und Iltiosalpen mit ihren überaus zahlreichen, musterhaften Sennereien, und über die teils längeren, teils kürzeren aber steileren Rücken oder Firsten zu den Spitzen empor. Diese Alpböden werden, durch ihre nördliche Lage bedingt, sehr spät schneefrei und meist erst im Juli bestossen. Man hat daher im Frühjahr oder Vorsommer manchmal seine liebe Müh und Not, ohne Gewalttätigkeit sich Einlass in eine der Sennhütten zu erobern, da sie fast ausnahmslos niet- und nagelfest verschlossen sind. Nicht selten waren wir genötigt, wenn nicht sonst irgend ein Zufall uns zu Hilfe kam, mittelst «Einsteigen» ihr Inneres zu gewinnen, um die oft bitterkalten Nächte am Herdfeuer und im Heulager zuzubringen.
1. Der Nägeliberg oder Tisch, 2165 m. Die Katastrophe eines Bergsturzes hat seine nordwestliche Hälfte zertrümmert. Grau, starr und wie abgesägt reicht die hohe und kahle Felsenmauer, vor welcher sich ein wüstes Wirrsal von Schutt, Geröll und Felsblöcken ausbreitet, bis zum Gipfelstock. Man erreicht diesen von der Gachtlücke aus (siehe unten) über die nordwestliche Felskante, an geeigneter Stelle unschwierig emporkletternd. – Gemächlicher und sorgloser aber gewinnt man den Berg über seine nördliche Rasenhänge.
2. Die Scheere 2201m (2187?). Vom Tisch führt ein angenehmer, ja prächtiger Spaziergang hinab, hinüber und wieder leicht hinan kletternd zum Gipfel der Scheere. Eine von unten bis oben tief in den Berg eingerissene Spalte hat den Felsbau entzweigeschnitten, so dass Form und Name gar trefflich hier einander decken. Weniger hübsch und etwas anstrengender ist die Scheere über den First zu nehmen, ebenso
3. Die Wart 2068m, welche in der gesamten Kette die bescheidenste Stelle einnimmt, auf Gipfelgrösse verzichtet, dafür aber als sanftgewölbte, weiche Rasenkuppe ein allerliebstes Plätzchen bietet.
Diese unter «Zwischengruppe» zusammengefassten Erhebungen nimmt man am besten alle drei hintereinander; sie gewähren eine leichte und genussreiche Wanderung.
Grössere Anforderungen als alle vorgenannten in Bezug auf Marsch- und Steigtüchtigkeit des Touristen stellen die Berge der «Hauptgruppe».
III Hauptgruppe: Die sog. «Sieben Churfirsten»
Selun, Frümsel, Brisi, Zustoll, Scheibenstoll, Hinterruck, Käserruck.
Den mächtigsten und breitesten First weist der Käserruck auf mit über 2,5 km Länge; ihm folgt am nächsten der des Selun mit 2 km, am kürzesten, dafür am steilsten ist derjenige des Frümsel. Als kühnste und verwegenste Gestalt – ein stolzes Horn – beherrscht der Zustoll die Kette, seine Ersteigung ist die interessanteste, widerhaarigste. – Da nun die Anstiegslinien von Norden über die «First» oder «Rugg» einander in ihrer Monotonie im Allgemeinen ziemlich adaequat sind, kann ich mich darüber in Kürze fassen. Resigniert und im Schweisse seines Angesichts, langsam und sicher, durch keine Ablenkung zerstreut, es sei denn hie und da durch ein paar Grattiere, durch ein scheu aufflatterndes Schneehuhn oder einen Raubvogel, der hoch in den Lüften seine einsamen Kreise zieht, strebt man der Höhe zu, um erst am Ziele durch einen wunderbaren Tief- und Fernblick belohnt zu werden.
1. Der Selun 2207m. Bemerkenswert sind die zu seinen Füssen liegenden Alpen und deren nächste Umgebung durch ihre sagenumsponnenen gewaltigen Höhlen und Bergschachte von fabelhafter Tiefe; die bedeutendsten davon sind das «Wildmannliloch», die «Donnerlöcher», das «Rauchende Loch» (Silamattalp).
2. Der Frümsel 2268m. Steil und streng.
3. Der Brisi * 2280m, stellt ein kleines Hindernis entgegen; am Fusse seines Rückens muss erst ein ca. 3-4m hohes Felsmäuerchen an geeigneter Stelle erklettert werden. Die Spitze, von gewaltigen bemoosten Felsblöcken umgeben, ist romantisch und wild.
* im Toggenburgischen «die Brisi» nach dem T. A. Bl. 251, wenn anders hier die Benennung eines Alpbodens «Unter der Brisi» nicht eine irrtümliche ist.
4. Der Zustoll 2239m, der sein helmgeziertes Haupt stolz in die Lüfte recht, bietet mehr. Sein schmaler First schärft sich allmälig zum Grate zu, dann folgt eine steile Rasenplanke bis dicht unter den Gipfelkopf; nun entweder rechts über ein Rasenband wenig ansteigend um den Kopf herum, oder links, näher, in forscher Kletterei gerade empor zur Spitze.
5. Der Scheibenstoll 2238m, ähnlich wie der Brisi,
6. Der Hinterruck 2309m, über den «Sattel» 1900m zur Schäferhütte, über steile Grashänge, dann mässig ansteigend zum Steinmann. Unterwegs vermögen hier nicht selten zahlreiche Gemsrudel (bis zu 20 Stück, oft ganz in der Nähe) das Auge des Wanderers zu fesseln und seine Gehirntätigkeit zu beleben. Diese reizenden Hochwildidyllen werden nun wohl nach und nach verschwinden, da die Churfirsten aufgehört haben, «Freiberge» zu sein. Das Schonrevier ist jetzt in die grauen Hörner verlegt.
7. Der Käserruck 2266m, über das «Stöfeli» und die Melkplätze, 1844m in einstündigem Spaziergang.
Die meisten dieser Firste sind bis in den Sommer hinein mit Schnee bedeckt und einzelne in diesem Fall für Rutschpartien ganz besonders geeignet. So legten wir beispielsweise an Pfingsten 1900 den Ruck des Brisi, für den wir im Aufstieg nahezu 2 Stunden gebraucht hatten, mit sitzender Abfahrt in nur 17 Minuten zurück.
Aus dem Voranstehenden ergibt sich, dass der kletter- und abenteuerlustige Bergfreund auf diesen Wegen für seinen Tatendrang die Rechnung nicht findet. Durch Kombinieren, durch Zusammennehmen zweiter Gipfel oder mehr, je nach der zur Verfügung stehenden Zeit wird man versuchen (was zum Teil möglich ist), über ihre Ost- oder Westflanken ab- und jenseits des Zwischentälchens wieder anzusteigen, und auf diese Weise den Besuch einzelner Hauptpunkte zwar auf den kürzesten Wegen, aber nicht immer in kürzester Zeit miteinander zu verbinden. Den stärksten Reiz aber mit ihren fesselnden und teilweise schwierigen Partien bietet die Südseite der Kette, wie sich aus dem zweitnächsten Abschnitt ergeben wird. Vorerst jedoch noch einige Worte über
IV Die Terrassen des Walenstadter Berges und seine Wege
Ein vierfach gestufter Terrassenbau lässt sich unschwer erkennen. Seeniveau: 422,8m. 1. Der untere Walenstadterberg (Dorf) 7-800m; 2. Der obere Walenstadterberg (Schrinenalp) 12-1400m. Diese Terrasse zieht sich westlich ansteigend über die Alpen Schwaldis und Säls bis zur Sulzlialp unter den Leistkämmen. 3. Obersäss-Tschingeln, 15-1700m. Diese hoch über bewaldeten Fluhköpfen gelegene Terrasse erstreckt sich östlich abfallend über die Bülser Alpen zur Alp Lösis, 1300m, westlich vom Sichelkamm. 4. Die oberste Terrasse endlich läuft in der Durchschnittshöhe von 1900m als mehr oder weniger schmaler, bandartiger Streifen, meist begehbar, wenn auch stellenweise sehr exponiert, und nur mit einem einzigen kurzen Unterbruch, unmittelbar unter den Felswänden der Kette von den Leistkämmen bis zum Tristenkolben. Dieser Terrassen-«Gang» heisst «Auf den Kämmen» (Schrina- und Schwaldiskämme), in der Jägersprache gewöhnlich «Uff de Stolle» (Bühl-, Schrona-, Balisstollen, Linth- und Sälserstollen), oder für eine bestimmte Teilstrecke «Unter den Hängen».
Zu den oberen Terrassen als der Operationsbasis für unsere Streifzüge gelangen wir am besten von Walenstadt aus, und zwar entweder bequem über den Walenstadter Berg (Fahrstrasse, dann guter Saumpfad) zur Schrinenalp (Hochrugg) oder direkter und kürzer, aber strenger, zu den Bülser Alpen hinauf. – Von der Schrinenalp aus haben wir die Wahl von drei Wegen, die emporführen zur nächsthöchsten Terrasse der Alp Tschingeln: 1. westlich um die Fluhköpfe herum über «Obersäss» und den lieblichen Rasenhügel «Balis»; 2. über Alpwiesen und durch felsigen Wald das sog. «Buchle», ein stellenweise recht böser Kletterweg, der nicht mehr stark benützt wird, seit 3. über den «Sitzstein» ein solcher in vorzüglicher, kühner Anlage und augenscheinlich mit grossem Kostenaufwand erstellt worden ist. Nachdem wir vorerst auf fussbreitem Pfad die in Privatbesitz liegenden Matten, an deren Rand in Distanz von wenigen Metern weisse, auf niedrigen Pfählen ruhende Blechtafeln mit der bedeutsamen Inschrift: NB! Buchle und Sitzstein: Gänsemarsch! – ich zählte deren nicht weniger als 13 – die Taktik unseres Ganges bestimmen sollen, durchschlängelt und den Erfindungsgeist der betreffenden Herren Flurbesitzer, der sich in dieser geistreichen alpinen Tafelinschrift zur Schonung unserer Kulturen so hervorragend dokumentiert, in gehöriger Weise, aber mit gerechtem Missfallen respektiert haben, nähern wir uns den Felsen, in welchen wir mit Lust die nichts weniger als überflüssigen festgemauerten eisernen Speichen, Griffe und Tritte benutzen, mittelst derer man sich an senkrechter Wand, über steile, glatte Rinnen und böse Platten sicher und leicht emporschwingt. Interesse, Kurzweil und hohe Befriedigung machen uns den Gang über den «Sitzstein» zum wirklichen Vergnügen und Genuss. An den Ausgangsstationen für diese Route, also auf Hochrugg und Tschingla, sind an leicht sichtbarer Stelle Tafeln angebracht, welche Bergunkundige und nicht Schwindelfreie vor dem Betreten dieses Pfades warnen oder die Mitnahme eines Führers empfehlen; eine Massregel, deren Beachtung für Manche ein Ding der Notwendigkeit sein dürfte. – Endlich führt noch vom untern Walenstadterberg aus ein ordentlicher Pfad durch «die Laui» nach Tschingeln hinauf.
Auf die Terrassen der Bülseralpen führt uns von Walenstadt aus der steile, ziemlich rauhe und vernachlässigte Weg über «den weissen Berg», oder die «weisse Wand», d. i. auf ein kurzes Stück ein schmaler, abschüssiger Felsenpfad. Ebendorthin geht’s, etwas weiter, aber bequemer, über Tscherlach, auf schönem, wohlgepflegtem Weg hinauf zu den herrlichen Matten von Lüsis (auch Lösis), 1277m, dann, nur noch wenig ansteigend, in westlicher Richtung.
Ferner sei, zu dem westlichen Teile der Churfirsten überleitend, das idyllisch am See gelegene Quinten als Anstiegspunkt hervorgehoben, wohin wir uns von der Bahnstation Murg aus quer über die grünen Fluten gegen billiges Entgelt vom Fährmann haben übersetzen lassen, um uns von da, nachdem wir noch im freundlichen Gasthaus vom rühmlich bekannten edlen Quintener Wein einen fröhlichen Trunk getan, über die «Laubegg» 1375m, das «Stäfeli» 1489m, in weitschweifigem Bogen um den «Sattel» herum nach einer gegen’s Ende hin noch meist recht mühsamen Wanderung über Lawinenschnee und -schutt zur Alp Schwaldis zu begeben, 1440m.
Auch von Betlis aus, dem rütliartigen, stillen Gelände, das in jüngster Zeit durch ein dem See entlang führendes Strässchen mit Weesen verbunden worden ist, erreichen wir, anfangs eine Stunde im dichten Gebüsch gehend, das keinen Durchblick gestattet, diesen Höhenbezirk, dessen oben erwähnten Alpen wir noch diejenige von Säls beifügen, auf dem aussichtsreichen Vorsprung einer Weideterrasse liegend, 1419m.
Dies mag genügen; noch zahlreiche andere Wege sind für unseren Bedarf hier bedeutungslos. – Doch möchte ich bei dieser Gelegenheit mit ganz besonderem Nachdruck auf folgende Terrassenwanderung hinweisen: Von Walenstadt-Tscherlach, bzw. Lüsis, unter den Felshängen des Rosenbodens hinüber zu den Bülseralpen, dann weiter zur oft bis in den Sommer hinein mit einzelnen Schneestrichen bedeckten, auf ihren südlichen Zinnen von schönen Tannengruppen umsäumten Alp Tschinglen (1520m), und stets westlich über die lieblichen Punkte «Balis», «Nase» und «Obersäss» hinunter zur Schrinenalp und zurück ins Tal über den Walenstadter Berg. Diese Partie ist von ausgezeichneter Schönheit, reich an malerischen Abwechslungen und von prachtvoller Aussicht begleitet; sie darf als selbständige, ganz unbeschwerliche Tour aufs wärmste empfohlen werden.
Im folgenden Hauptkapitel dieser Abhandlung wenden wir uns dem Bereich der Felskletterei zu, welches die Churfirstenkette durch ihre südlichen Anstiegslinien eröffnet.
V Die Zugänge von Süden
Dieselben führen sämtlich, wie schon eingangs angedeutet wurde, in ihren oberen Partien als Runse, Kehle, Kamin, durch Wand oder über Band, zu einer Lücke empor zwischen zwei Gipfeln, von welcher aus die letzteren durchs Tälchen und über den First, seltener über die Flanke, in einem einzigen Fall (Selun) über eine südliche Gratkante, bestiegen werden können.
Harmlos ist keiner dieser Wege, und derjenige bewiese geringe Erfahrung und mutwilligen Leichtsinn, der angesichts und im Banne der wilden, schauerlich grossartigen, ihn immer enger und enger umklammernden Felsenszenerie bloss mit keckem Wagemute, und nicht auch gerüstet mit gesunden geistigen Kräften und im klaren Bewusstsein der Grösse seiner Aufgabe an ihre Lösung heranträte! – Hier umgibt uns der schweigsame Ernst des Hochgebirges; in solchen dunklen, düsteren Felsenklüften und Schluchten schwebt und webt oft das böse Verhängnis rascher und unerwarteter über dem Bergsteiger, als vielleicht tausend oder zweitausend Meter höher auf Firn und Eis unterm weiten, blauen Himmelszelt!
Es sei auch hier wiederum die Reihenfolge von West nach Ost im Auge behalten.
1. Die Gacht 1959m (Gocht)
So nennt sich die enge und sehr steile Runse, die den Zugang bildet in die Einsenkung zwischen Vorderleistkamm und Nägeliberg. Man wendet sich von der Sälsalp über den «Sattel» in etwas nördlicher Richtung den vorgelagerten Felsabstürzen zu und steigt zwischen denselben auf lieblichen Rasenhöhen hinan; dann geht’s auf schmalem gewundenem Pfade den himmelragenden Wänden des Tisch entlang um seine Gratrippen herum, an tiefen Buchten vorbei und über vorspringende, sonnige, im Rot blühender Alpenrosen leuchtende Kanzeln, auf denen sich entzückende Ausblicke erschliessen, empor zum jäh abfallenden Kamm eines Hauptpfeilers. Von da wenig absteigend gelangt man hinunter ins steile Kamin der Gacht, klimmt höher über Stapfen oder Absätze, quert sodann auf einer kleinen, beweglichen Riese hinüber zur Westseite des Kamins und klettert nun den steilen Rasenhang, an dem oft festes Geklippe hervortritt, vollends empor zum Übergangsjoch.
Der hervorragende Gebirgsforscher J. J. Weilenmann hat diesem Wege ein einlässliche, sehr schöne, ja begeisterte Schilderung zu teil werden lassen. Heute, nach mehr denn 30 Jahren, berührt es uns beinahe seltsam, wenn dieser auch als Bergsteiger berühmte Verfasser von der Gacht als einem Wege spricht, für welchen «selbst zur Kategorie der «Selbständigen» gehörende Tourist selten eines Führers werden entraten können»; während in unseren Tagen dieser Pfad als einer der zugänglichsten und leichtesten Übergänge in der gesamten Kette von Touristen gewöhnlichen Schlages, sogar von grösseren Gesellschaften auch ohne Führung ausserordentlich oft begangen wird. Mag auch seither der Weg erheblich verbessert worden sein: Jedenfalls scheint dies ein, wenn schon etwas schwacher, Beweis dafür zu sein, dass im Allgemeinen das Unheimliche und Riesenhafte der Zwingburg des Hochgebirgs selbst in unmittelbarer Berührung für das Gesicht und das Gefühl unserer Generation viel von seinem beklemmenden Schrecken eingebüsst hat. Dessenungeachtet soll auch nicht verschwiegen werden, dass Manche die Mühe dieses Anstiegs bedeutend unterschätzen und den eventuellen Gefahren unwissend und unvorbereitet gegenüberstehen. Zahlreiche, zum Glück günstig verlaufene Beispiele könnten dafür Belege sein. Auch in der Gacht ist man nicht sicher vor rollenden oder herabfallenden Steinen, und bei einem plötzlichen losbrechenden Unwetter können höchst ungemütliche Situationen eintreten. – Weit grössere Vorsicht und sichereren Tritt erheischt die Gacht im Abstiege, und dieser dürfte sogar, wenn das eben meist tief in Schatten gehüllte Kamin teilweise noch mit hartem Schnee ausgekleidet ist, von nicht unerheblichen Schwierigkeiten begleitet sein.
Selbstverständlich treffen diese kritischen Bemerkungen für die folgenden ähnlichen Anstiegsrouten in gleichem oder entsprechend höherem Masse zu.
Anmerkung: Von der Gacht-Lücke aus kann der Vordere Leistkamm vorteilhaft bestiegen werden. Man wendet sich links den Rasenrücken hinan, erklimmt einen klippigen Felsabsturz, überschreitet eine Strecke sanft ansteigenden, im Frühsommer mit Schnee bedeckten Abhanges und sieht sich auf der Zinne des Berges.
Eine hübsche und spannende Variante hiezu gelang mir und meinem führenden Begleider Ad. Gubser aus Walenstadt im Juni des Jahres 1905. Wir stapften einen Schneekegel hinan, stiegen in eine tief und kammerartig in die Felsen greifende Kehle und balancierten über eine Schneescheide in ihren Hintergrund, wo Gubser eine ca. 5m hohe Wandstufe mittelst Klimmzuges überwand; er warf mir das Seil zu und ich hatte leicht nachzukommen. In schneearmen Vorsommern ist diese Variante unmöglich.
Es sei hier noch darauf aufmerksam gemacht, dass die Besteigung des Hinter Leistkamm via Gacht am besten und nächsten direkt über den Vorder Leistkamm, dann quer durchs Täli und über die Ostflanke geschieht (in umgekehrter Folge auch der Abstieg); man kann sich damit den meist üblichen weiten Weg um den Mooskamm herum ersparen, abgesehen vom positiven Gewinn zweier Gipfelstöcke.
2. Der Schleichhübel 2037m
Übergang zwischen Scheere und Wart.
a) Von der Alp Schwaldis direkt durch die Wand. Sehr schwierig und gefährlich. Plattige, grifflose, glattgewaschene Felsen (Die Beschaffenheit des Gesteins tritt häufig in dieser typischen Form auf der Südfront der Churfirsten- und Alvierkette zutage, so besonders am Sichelkamm und Gamsberg), wenige trügerisch wurzelnde Grasbüschel, hohe Klimmstufen und entsetzliche Steile stempeln diesen Anstieg zu einer unerhörten Arbeitsleistung, die vorzügliche Kletterer bedingt. Die Schwierigkeit dieser Strecke lässt sich annähernd ermessen aus dem Bekenntnis, dass wir, Clubgenosse H. Meier und der Verfasser, im Abstiege für dieselbe, d. h. für eine Höhendifferenz von nicht 600m bei unausgesetzter körperlicher Anstrengung nahezu 6 Stunden benötigten, allerdings unter dem sehr erschwerenden Umstande eine heillosen Gewitters; und, nachdem schon hoch oben die der alle Glieder in Anspruch nehmenden Kletterei hinderlichen Pickel in die Tiefe hinab geschleudert worden waren, mittelst wohlüberdachten und geschickten Operierens mit dem Seil die harte Nagelprobe glücklich, d. h. ohne nennenswerten Unfall, bestanden. – Tatsächlich hinterlässt diese Wand, vom Standpunkt Schwaldis aus betrachtet, den Eindruck der Unbezwinglichkeit, und jedesmal, wenn ich seither zu ihr hinaufguckte, musste ich bedenklich mein Haupt schütteln ob unserer Tollkühnheit. Wohl schwerlich hat vor uns jemand da herumgekraxelt.
b) Der leicht zu findende Kletterweg zum Schleichhübeljoch führt zunächst auf den «Kamm», dann unter der Südwand der Wart westlich über Rasenhänge und Felspartien hinan, um ihren südwestlichen Pfeiler herum in ein ziemlich offenes Becken, und zum Joch empor.
Wer, der Gegend nicht sehr genau kundig, vom Joch auf diesem Wege abzusteigen wünscht, kann in dem erwähnten Becken leicht irregeleitet werden, denn eine Wegspur oder -markierung ist absolut nicht zu entdecken. Er wird dann, anstatt sich gleich anfangs stark an die Felsen linker Hand zu halten: wie es eben uns erging, der in der Mitte liegenden einladenden kleinen Runse zusteuern, in derselben abwärts steigen, und, da ein übersichtlicher Blick nach der Tiefe zu vorerst noch gehemmt ist, in die schlimme Wand geraten, wo er sich wohl oder übel hinabkämpfen muss.
3. Das Selunerjoch 2010m
Zwischen Selun und Wart.
Wie oben zunächst auf den «Kamm» und die Rasenhänge, dann in die Wand; gute Griffe sind nicht gerade selten, doch darf auch so die Kletterei als schwierig bezeichnet werden. Da mehrmals ziemlich hohe Stufen zu überwinden sind, ist es gut, wenn der Vorankletternde von grosser Statur ist, um den Nachfolgenden die Sache mit Hilfe des Seils zu erleichtern.
Anmerkung. Vom Joch aus lässt sich der Selun ohne Schwierigkeiten nehmen. Man steigt östlich gegen die Felsen an, begibt sich sodann auf ein schmales Rasenband hinunter, welches sich längs der Südwand des Selun hinzieht, biegt dabei um zwei Vorsprünge herum und gelangt danach in leichter, flotter Kletterei über Rasen- und Felsabsätze, im Wesentlichen sich an einer südöstlichen Gratkante bewegend, zur Spitze. – Nicht so einfach wird der Abstieg vom Selun über seine Ostflanke bewerkstelligt.
4. Das Rappenloch 2031m
Zwischen Selun und Frümsel.
Eine höchst interessante, aber ziemlich schwierige Partie. Nachdem der «Kamm», der Rasenhang und eine kurze Wand passiert sind, gelangt man zu einer gleichmässig breiten, jäh emporstrebenden Runse. Ihrer Steile und Glätte ihres Felsbelages wegen wäre sie unbegehbar, zöge sich nicht zur Linken, inmitten kaum 1-2 Fuss breiter, als Rasenstreifen sich in die Höhe ziehender Platten, eine etwa 2 Finger breite Rinne empor. Im dürftigen Erdreich dieser Rinne haben Gras und Kräuter feste Wurzel gefasst, mittelst derer, sowie kleiner Risschen und Griffchen man die 20-30 Meter oder höher emporkriecht. Nach oben zu verengert sich die Runse und bricht plötzlich in einer düsteren Schlucht ab, deren hintere, mehrere Meter hohe, fast senkrechte Wand den Weg sperrt. Die Überwindung dieser Wandstufe durch Klimmzüge, eventuell auf den Schultern eines Andern, ist für den Vordermann, dem wiederum ein hoher Wuchs zum Vorteil gereicht, keine geringe Leistung. Dann hat man das Rappenloch hinter sich, und von der Lücke aus lässt sich der Frümsel an geeigneter Stelle ohne besondere Schwierigkeiten erklimmen. In umgekehrter Folge, von oben nach unten, erfordert das Rappenloch grössere Vorsicht und Gewandtheit.
Der Frümsel ist von höchst merkwürdiger Struktur. Ein ungeheurer, nach Süden offen klaffender Riss spaltet den Berg in zwei Hälften. Auch durch diese enge Kluft, gewissermassen mit verwegener Dämonenarbeit im Bauche des Berges kletternd, lässt sich der Frümsel erzwingen. Man betritt alsdann seine östliche Spitze; die westliche führt den Namen «Silberspitz».
Die Fortsetzung dieses Risses geht nach unten, über den «Kamm» hinaus, in eine schmale Runse über, die sich im Verlauf nach der Tiefe hin zu einer mächtigen, breiten und üblen, gewöhnlich von einer gewaltigen, mit Steinschlaggeschossen übersäten Masse Lawinenschnees angefüllten Schlucht symmetrisch erweitert. Dies ist
5. Die Silbergrube
Sie wird in der Regel hoch oben an der schmalsten Stelle der Runse überschritten, oder besser gesagt, übersprungen. Der Weg dahin ist ziemlich derselbe wie oben; dann wird, dicht am Rande der Schlucht, ca. 20 m über die exponierte Kante eines vorstehenden Felsenkeils emporgeklettert, um sich bald hernach in die tief eingerissene, hier etwa 5-6 m breite Runse hinabzubegeben. Der Einstieg in dieselbe und die Querung erheischt ihrer Steile und schlüpfrigen Glätte wegen Vorsicht und sicheren Schwung zugleich, indem wir an einem grifflosen Block vorüber die jenseitige Wandung stürmen. Nun noch wenige mühelose Schritte, und wir stehen in der Obersäss-Niedere, 2038 m, d. i. in der Lücke zwischen Frümsel und Brisi. Diese kann von Süden, wie angezeigt, über die Silbergrube erreicht werden, oder, seltener, über die «Kämme», die Südwände der Brisi nach Westen traversierend.
Die Obersäss-Niedere. Welchen Reichtum der Szenerie hat die Natur rings um diesen herrlichen, erhabenen Erdenfleck ausgegossen! Welch geheimnisvoller Zauber ruht über diesem unvergleichlichen Landschaftsbilde, von den Lichtstrahlen des Tagesgestirns durchflutet, in wundervoller Farbharmonie leuchtend! Hier wirft sich der Wanderer zwischen grünbemoosten Felsblöcken nieder aufs weiche, blumendurchwirkte Rasenpolster und lässt seine Blicke schweifen hüben und drüben über die stolze, schier unermessliche Höhenschaar. – Und schaut hinunter ins Tal des Lebens: Wie leicht und kräftig die Schallwellen zu ihm emporschweben! Bald tragen sie die sonntagfeierlichen Klänge von Kirchenglocken, bald lustiges, soldatisches Gewehrgeknatter, bald Instrumentalmusik, Wechselgesang und fröhliche Jauchzer! Auf des Walensees dunkelblau-grünem Spiegel schaukelt ein Nachen, schwillt ein Segel, und weiterhin verrät ihm die lange, lebendige Wellenlinie von Dampfwolken, wie sie sich streckengerade hinauf durchs anmutige, von blühenden Ortschaften umsäumte, gipfelumragte Seeztal bewegt, den Expresszug, und erinnert ihn dabei an das rastlose Getriebe der ewig an materielle Werte sich festklammernden Kulturmenschheit. So dünkt es ihm, als sei er selber losgelöst, befreit von jedem irdischen Organismus, ein Bewohner sphärischer Welten, und vergnügt lächelnd beschaut er sich von oben das kindliche Spiel der Menschen. – Doch blickt der Bergwanderer hinter sich: Ein schauriger Gegensatz tut sich vor ihm auf! Er gewahrt ein zwischen senkrecht starrende Felswände gebettetes, noch vom schneeweissen Leichenmantel des Winters zugedecktes Tal, darinnen ein chaotisches Labyrinth ungeheurer Trümmermassen, einen Kampfplatz für Olympier und Titanen, eine wahrhaft heroische Landschaft! Doch so seltsam diese Kontrastwirkung: Hier hat sie etwas Versöhnendes, Wonniges. Aus Gegensätzen hervor quillt frischer des Lebens Born! Erquickt erhebt sich der Wanderer, und über die Schneefelder in fröhlicher Fahrt geht’s eilig hinab durchs Frümseltal.
6. Die Balischrine 2012m
Übergang zwischen Brisi und Zustoll.
Während die bisher angeführten Anstiege mehr oder weniger harte Forderungen an den Touristen stellen, macht in dieser Beziehung die «Balis-chrine» eine bemerkenswerte Ausnahme. Mühelos und anregend zugleich, ein ununterbrochenes Schwelgen im Genuss, ein entzückender Kletterspaziergang! Dass dem so ist, verdanken wir dem Kur- und Verkehrsverein Walenstadt und Berg, welcher hier unter Mithülfe der Sektion Piz Sol des S. A. C. sowie Privater den Bau einer schwierigen Weganlage in vorzüglicher Weise durchgeführt hat. Welche angenehme Überraschung, als wir, 1903, in der Meinung, für diesen Anstieg ein tüchtig Stück Arbeit leisten zu müssen, ahnungslos den famosen Steig vorfanden! Von der Tschingeln-Anhöhe «Balis» geht der sichtbare Pfad über üppige Grashänge und schlängelt sich bald in die Felsen. Und welch tadelloses Gestein! Jede Stufe, jeder Tritt sicher und wohlgetan! Jeder Griff, ohne Wahl, solid und fasslich! Eine wahre Freude, wie’s rasch und ring aufwärts geht. Nun quer über eine steile Rüfe; diese Traverse über den harten Schnee ist, sofern sie nicht umgangen werden kann, unter Umständen etwas heikel; dann folgt kurz darauf das letzte Stück: Die Felspartien werden nackter, grossartiger und schwieriger; dank eiserner Griffe macht man sie spielend, steigt man rapid in die Höhe, und betritt ungeahnt schnell den Sattel zwischen Brisi und Zustoll, die «Balis-Niedere».
In um so üblerem Ruf dagegen steht
7. Der Schnürligang
Wir haben uns nach und nach dem östlichen Teile der Kette zugewendet und sind daher naturgemäss behufs seiner Ausforschung jetzt auf einen entsprechend näher legenden Ausgangspunkt angewiesen. Als solchen fixieren wir am zweckmässigsten die Vordere Büls-Alp 1368m, wo in der geräumigen, sauberen Sennhütte, oder auch im Heugaden, genächtigt werden kann.
Der Weg geht von hier zunächst westlich, führt über das rauhe, arg verwüstete Terrain eines mächtigen Lawinenzuges, dann auf artigem Zickzackpfad steil empor zum Kammsässli 1736 m, einem reizenden, etwas vorgeschobenen Punkt mit wunderschönem Ausblick. Bei schlechtem Wetter bietet der enge Raum eines Schäferhüttchens ein willkommenes, schützendes Refugium. Einst zwangen uns dichter Nebel und Regen nahezu fünf Stunden in seinem Inneren zuzubringen, und meinem Führer gelang es trotz dem nassen Holzmaterial – die Hütte lag noch im Schnee – mit Mühe, Geduld und Geschicklichkeit ein wärmendes Feuer anzufachen und zu unterhalten. Das Wetter wurde dann schliesslich besser und wir konnten unsere Tour programmmässig ausführen. Solches sei nur deshalb erwähnt, um, gegebenen Falls, den Wert einer noch so primitiven, bei Sonnenschein aber kaum beachteten Unterkunftsgelegenheit dankbar ins gehörige Licht zu stellen. – Nun weiter aufwärts auf den Kamm eines Hauptpfeilers des Hinterruck, die sogen. «Zieregg», dann unmittelbar unter dessen riesigen Felswänden, «unter den Hängen», an der Einstiegsstelle zur «Hundsplatte» (siehe unten) vorüber, in westlicher Richtung über Rasen- und Schuttbänder. Die Wanderung auf dieser obersten Terrasse, oft fallend und wieder ansteigend, zieht sich scheinbar stark in die Länge. An einer Stelle läuft das Band mehrfach unter überhängenden Felsen, wobei man eine etwas gebückte Haltung einnehmen muss; zur Not böten sie hinreichend geräumigen Unterschlupf. Bald geht’s hinter oder über noch nicht abgeschmolzenen Schneemauern, bald quer über lebendiges Geröll führende Riesen, mit dem man mit Getöse in die Tiefe zu fahren droht. Einige weitvorspringende «Nasen» sind zu passieren, hinter welchen sich das Kommende verbirgt; sie beleben die Phantasie und steigern die Spannung, die Ungeduld in Erwartung der berüchtigten «Schnur». Welcher Art denn mag sie wohl sein, wenn schon dieser auf sie vorbereitende Gang so gar nicht harmlos genannt zu werden verdient? Endlich naht der letzte Felsvorsprung; noch einige Klippen abwärts: Plötzlich öffnet sich ein gähnender Schlund. Der Blick schweift in die Leere, verliert sich in grausiger Tiefe, irrt fragend hinüber zur Rechten, über den abschüssigen, schwindligen Leist, der sich hinzieht an glatter Wand, der nicht umsonst den Namen «Schnürligang» trägt. Wer zum ersten Mal an dieser Stelle steht, und sei’s auch ein kaltblütiger, verhärteter «Bandschleicher»: Einen Moment ist er perplex und stumm unter dem Banne wechselnder Empfindungen. Hier gilt’s Ernst! Hinüber oder zurück? Und nach kurzem moralischem Bedenken siegt die Energie und das Vertrauen auf eigene Kräfte: Hinüber!
Die «Schnur» besteht in einem äusserst glatten, etwa fussbreiten, nach dem Abgrund zu ziemlich stark geneigten Felsbändchen, das sich, fallend, einer Wand entlang drückt, an deren grauschimmernder Politur die tastenden Finger vergeblich nach Griffen fühlen. Bei einer guten Stand gewährenden ausgebuchteten Nische oder Höhlung beschreibt dasselbe einen stumpfen Winkel und führt alsdann, etwas leichter, weil horizontaler und um Einiges breiter, aber trotzdem sichere Balance heischend, hinüber in die Stollenfurggel 1957m, der Einsattelung zwischen Zustoll und Scheibenstoll. – Die Hauptschwierigkeit liegt gleich in den ersten paar Metern. Man tut am besten (vielmehr es bleibt nicht viel anderes übrig), nachdem man das Bändchen so gut als möglich von seinem beweglichen Belag gesäubert hat, dieselben langsam, tappend, auf dem Hintern abzurutschen, den Schwerpunkt berechnend, mit der Wandung zur Rechten möglichst Fühlung suchend, Reibung erzeugend. Eine bedächtige Kniebeuge bringt uns sodann auf die Beine, und mit zwei elastischen Schritten ist die Höhlung erreicht. Bis dahin mögen es etwa 8m sein, von da bis zur Furggel 12-15m. Die Sache ist an und für sich keine Hexerei, und nachdem sich die erste Verblüffung etwas gelegt hat, nimmt man sich zusammen und macht sich keck dahinter. Freilich müssen dabei die Gedanken ungeheuer stark konzentriert sein auf das, was man unter sich hat und vor sich sieht. Ich erinnere mich lebhaft, wie mir anno 1901 bei ihrer Wiederholung die Überwindung dieser Passage leicht und rasch von Statten ging, beidemal unter Führung vom alten Thoma in Walenstadt. Dieser wackere Führersenior pflegt die Zahl der «Schnürligänger» lediglich aus den Eintragungen in sein Führerbuch zu registrieren; es mögen damals etwa an die zwölfe gewesen sein. Inwieweit dies zutreffend war, bleibe hier dahingestellt. – Gewöhnlich ist selbst noch im Juni der direkte Zugang zum Einschnitt der Stollenfurggel durch eine mächtige Schneewächte von einigen Metern Dichtigkeit verriegelt. Man klettert daher über die Kante ihres rechten Schenkels empor, wo die Sonne just ein gerade genügend breites Rasenbord blosgelegt hat, betritt dann die Schneefläche und steuert der etwas unterhalb der Furggel liegenden aperen Stelle zu, wo man sich gerne auf trockenen, warmen Platten der wohlverdienten körperlichen und geistigen Erholung hingibt.
Anmerkung: Sei’s aus verzeihlicher Neugier, sei’s, um das Bild meinem Gedächtnis neuerdings und in der schärfsten Zeichnung einzuprägen: Ich konnte es mir nicht versagen, im Sommer 1905 die «Schnur» bei Gelegenheit einer Inspektion zu unterziehen. Und, dass nichts auf Erden sich ewig gleich bleibt: Hier war’s zur Evidenz bewiesen. Denn ohne Zweifel liess sich wahrnehmen, wie der qualitative Zustand der «Schnur» sich inzwischen auffallend günstig verändert hatte; wie das ehedem glatte Felsband rauh und uneben gemacht, die Wandung rechts mit groben Kerben versehen war, so dass sie jetzt der daran herumtappenden, stützesuchenden Hand einigermassen etwas «Gegenständliches» zu bieten vermag. Das ist nicht viel, aber doch etwas. Allein diese Weg-«Verbesserung» – wenn man von einer solchen reden darf – ist das Werk nicht der Natur, die in diesen Regionen ja lieber negierend, zerstörend waltet: der Witterungsprozess arbeitet unaufhörlich an der endlichen Auflösung des Schnürli; noch irgend einer philantropischen Gesellschaft zur «Öffnung unzugänglicher Gebirgsteile für weitere Kreise von Bergfreunden» – nein! sie ist das Werk «wilder Jäger», die sich, oft schwer mit Beute beladen, nicht selten dieses verstohlenen Pfades bedienen müssen. Es sollen sogar richtig geschlagene Felsstufen – Spuren davon sind noch sichtlich – von kühneren, verwegeneren Weidgenossen aus Neid und Eifersucht insgeheim wieder zerschlagen worden sein. Wie dem auch sei, ob auch für kurze Zeit ihres Stachels Spitze gebrochen: Ein gruseliger Gang bleibt die «Schnur» immerhin.
8. Die Hundsplatte 2021m
zwischen Scheibenstoll und Hinterruck.
Der Name ist offenbar im schimpfenden Sinne zu verstehen «hundsmässige Platte». Wir sind an ihrer durch rote Farbe markierten Einstiegsstelle bereits auf der vorherigen Route vorübergeschritten. Es ist ein Block von beträchtlicher Höhe, welcher erklommen werden muss, um sich dann oben durch eine sehr enge Rinne, eine richtige «Klamm», hindurchzuzwängen. Der weitere Anstieg, über Geröll, teils nackte, teils rasenbewachsene Felsen geschieht durch eine düstere Runse von mässiger Breite. Etwa mitte wegs hat man eine sehr steile Platte von ca. 2,5m Höhe zu überwinden; diese, sowie die Einstiegsstelle erfordern etwelche Kletterübung. Man hüte sich vor fallenden Steinen, wie ich in Form einer grobdeutlichen Warnung, die mir in zwar «schlagender» Weise, aber gnädig, zu Teil wurde, persönlich zu führen das passive Vergnügen hatte. – Die Runse erweitert sich trichterförmig nach oben und endet mit der Einsenkung zwischen Schibenstoll und Hinterruck. Auch hier hindert eine gewaltige, meist überhängende Schneemauer, sie an ihrer tiefsten Stelle zu betreten. Die Ausweichung nach rechts ist am praktikabelsten. Hier öffnet sich das Gluristal oder «Hundsplattetäli».
Von der Lücke aus ist der Hinterruck über «die Wart», d. i. seine östliche, Abdachung, schönes Weideterrain für Schafe und Ziegen mühelos zu besteigen.
9. Das Valsloch (Falzloch)
Der Weg durch dasselbe bildet als gewöhnliche Anstiegsroute zum Hinter- und Käserruck nächst der Gacht die frequentierteste Tour der Kette. Vom Kammsässli geht’s stotzig hinan und hinein in das von den zwei Hauptpfeilern des Hinterruck und Käserruck flankierte Couloir, in welchem sich nach und nach die beidseitigen mächtigen Wände zur engen Schlucht, zum wirklichen Loch zusammenschliessen, drin ein kühler Luftzug emporstreicht. Diese kurze Strecken, das eigentliche «Valsloch», gewährt eine sehr hübsche Kletterei mit unterhaltsamen Momenten, sollte indes stets in schnellem Tempo passiert werden, um dem Bereich des eventuellen Steinschlags möglichst rasch zu entrinnen. Weiter oben treten die Wände wieder mehr auseinander und öffnen sich zum weiten Felsenkessel, in dem man, entweder gerade ansteigend, direkt zum wenig bemerkbaren «Joch» bezw. zum Gipfel des Käserruck empordringt, oder, irgendwo links haltend, je nach den Verhältnissen, dem Steinmann des Hinterruck zustrebt. Das An-, und noch vielmehr das Absteigen über die steilen Schneehänge in diesem Kessel erfordert sicheren Tritt. Ein Ausgleiten und Zu-Falle-Kommen kann leicht eine rasend beschleunigte, totbringende Fahrt durch den verengerten Trichter des «Valsloches» zur Folge haben.
In der unteren Partie des Valsloches fesselt den Blick, zur Rechten auf Steinwurfweite entfernt, losgelöst vom Hauptmassiv, freistehend, die imposante Erscheinung eines Felsobeliskes von wohl 60-70m Höhe, die sog. «Rosschilche». Bemerkenswert an diesem Turm ist die regelmässige Gestalt sowie der Umstand, dass er von der – absolut unbezwinglichen – Spitze bis hinunter zum Sockel vollkommen entzwei geborsten ist. Eine Rundtour um seine Basis herum lohnt die Mühe reichlich und bietet allerlei piquante Überraschungen, insonderheit die dunkle Pforte zwischen dem Obelisk und dem Massiv, wo nach Schornsteinfegerart operiert werden muss.
VI Anhang
Der Rosenboden* mit dem Tristenkolben.
(*Der Rosenboden wird von den Einheimischen allgemein «Schlachtboden» geheissen. Nach den Einen wäre auf dieser Höhe während des alten Zürichkriges (1445) ein kriegerisches Treffen geliefert, nach den Andern ein militär. Übergang der Franzosen vor hundert Jahren vollzogen worden.)
Der Gamserruck.
Der Hinterruck (2309m) und der Käserruck (2266m) sind zwar als selbständige Gipfelpunkte durch eine zwischen ihnen liegende Mulde und einen Höhenunterschied von 43m von einander geschieden, allein hier fehlt die den übrigen Gliedern der Kette charakteristische Bildung des isolierten Gipfelbaues, und als Zwillingsstöcke entwickeln sie sich nicht markant genug aus ihrer gemeinsamen Hauptmasse heraus, sodass man eigentlich blos mit Hilfe volkstümlicher Phantasie den sechs Churfirsten noch einen siebenten (den Käserruck) beizugesellen vermag. Die Zweiteiligkeit dieser östlichsten Firsten lässt sich tatsächlich nur im Toggenburg, zwischen Alt St. Johann und Wildhaus, mit zweifelloser Deutlichkeit erkennen. «Zwischen Käserruck und Hinterruck», schreibt G. Baumgartner, «scheint der zwischen den andern Gipfeln obligate Einschnitt noch nicht ganz fertig zu sein; denn von Norden her durch die sogen. «Kammern» und von Süden durch das Falzloch zu einer tiefen Trennung geneigt, sind die beiden Rücken immer noch durch das «Joch» derart miteinander verbunden, dass man mit Leichtigkeit vom einen auf den andern gelangen kann, ohne in die Tiefe steigen zu müssen.» Die abweichende Form dieses Endstückes unserer Kette liegt in dem mächtigen Grundriss des Gesamtmassivs, das als breiter Horizontalkamm, Rosenboden genannt (2200m), in südöstlicher Richtung flügelartig sich ausdehnt, um mit einem prachtvollen und kräftigen Eckturm, dem Tristenkolben (2179m), nochmals zu culminieren und in der «Niedere» die Churfirstenkette endgültig zu beschliessen, – und vermittelt somit bereits den Übergang zum Typus der Faulfirstkette. Vom Tal aus gesehen (Tscherlach), noch schöner aber von der Alp Lüsis, präsentiert sich der «Tristenkolben» oder «Marchkopf» (Gemeindegrenze zwischen Tscherlach und Walenstadt) als kühner, himmelanstrebender Felsenzahn von prickelndem Reiz, mit schlanken, eleganten Conturen.
Eine der entzückendsten Höhenwanderungen ist der Gang über das weitausschauende Plateau des Rosenbodens, auf dessen Zinnen sich gleichfalls ein rings in alle Welten dringender Rundblick entfaltet. «Und erst der Walensee, wie wonnig er zu Füssen prangt, in Smaragd und Azur spiegelnd, zauberische Reflexe darauf spielend! Aber nicht minder fesselt das Auge des Schauenden die Höhenschaar, die unmittelbar und in der Ferne um dieses Kleinod von See sich zackt – dort das Alpsteingebirge mit dem kahlen Säntisstock; im fernen Dunste schwimmend ein Teil der Vorarlbergeralpen, zur Rechten des Rhätikon eine Strecke Bündnergebirgswelt, in der, von sonnigem Duft umwoben, die Silvrettagruppe sich auszeichnet, mächtig beherrscht vom Piz Linard; dann die Berge des St. Gallenschen Oberlandes: Die Pyramiden des Spitz- und Weissmeilen in ihren blendenden Firnkuppen, dem Magereu, das düstere Felsengerüste des Sexmor im Vordergrunde; weiterhin die Zackenreihe der Grauen Hörner, die Ringelspitze und Sardonagruppe; die Gebirgsstöcke des Kantons Glarus und der Innerschweiz. Während so im Halbkreise von Nordost gegen Südwest der Gipfelwall sich entfaltet, sehen wir im Norden und Westen das von heiterblinkenden Ortschaften belebte Toggenburg, das Hügelland der Kantone St. Gallen, Thurgau und Zürich im Dunstgrau zu Füssen dämmern.» (Nach Weilenmann)
Auch die südlichen Abhänge des Rosenbodens, ideale Jagdgründe für Gemsjäger, entbehren nicht der intimeren Reize und interessanter Partien, wie z. B. gegen das Valsloch zu gelegen der «Rosengarten» – freilich nicht der Rosengarten, drin der Zwergkönig Laurin sitzt – wo böse Fluhköpfe mit sonnigen, blumigen Wildheuerplätzen wechseln, darauf die Gemsen aesen; oder das sogen. «Rauhpfad», ein mitten in der Südwand des Rosenbodens sich hinziehendes Rasengesimse, das in seiner ganzen Länge mehr oder minder gangbar ist bis da, wo der Tscherlach-Lüsis-Weg zum Tristenkolben einsetzt, in steiler Kehle zum Rosenboden hinaufführend.
Als First von ganz ungewöhnlichen Dimensionen, namentlich in die Breite, erhebt sich, nördlich vom Tristenkolben, im Westen und Südwesten von den mächtigen Flügelarmen des Käserruck und Hinterruck umspannt, mitten aus ausgedehnten Karrenfeldern der Gamserruck (2072m). Zwar noch innerhalb der Zone des Churfirstengebietes liegend, doch losgetrennt von der Wirbelsäule unseres schmalen Gebirgsgürtels, kann er daher wohl nicht mehr als eigentliches Kettenglied desselben betrachtet werden.
Der Tristenkolben, vom Rosenboden aus betrachtet ein gewaltiger, grimmig aussehender Klotz, erregt, indem man von dort ihm näher kommt, einige Bedenken, verrät aber seine Schwäche gerade an dem Punkt, wo man ihm auf die Nase stösst: Eine steile Wand mit guten Griffen. Pickel und Gepäck lässt man an ihrem Fusse zurück, und in 15-20 Minuten sind die 80m zur Spitze erklettert. Die Griffe und Haltpunkte, die gesucht und erprobt werden müssen, hat man sich dabei wohl zu merken, um sich ihrer beim Abstieg wieder zu bedienen; andernfalls kommt man in Verlegenheiten. Dann treten wir den Rückzug an, indem wir vom östlichen Endstück des Rosenbodens über seine noch in tiefem Schnee steckenden nördlichen Felshänge und Rasenabsätze, auf lange Strecken meist abfahrend, uns hinabbegeben in Richtung der Alp Schlewiz, um, wieder rechts ansteigend, bald den Sattel der Niedere (1833m) zu erreichen. Diese letzte kleine Gegensteigung macht uns wenig Schmerzen, denn droben in der Passlücke winkt uns ein gar liebliches, sonniges Plätzchen, wo im Schmucke ihres jungen Frühlings die Kinder der Flora in bunten Farben leuchten. Nach kurzer, süsser Rast geht’s auf schmalem Pfad, in zierlichen, unzähligen Serpentinen hinab zur Alp Lüsis und weiter durch herrliche Tannen- und Buchenwälder nach Tscherlach-Walenstadt hinab. Schon senken sich die Schatten des Abends hernieder aufs Tal, und wir rüsten uns zur Heimfahrt.
Wie schon bemerkt, hat die Churfirstenkette als solche in der «Niedere» ihr Ende erreicht, nicht so die Gebirgskette im weitern geographischen Sinne; für sie bedeutet diese sanfte Lücke lediglich ein Ruhepunkt, um sich bald danach mit kräftigem Anlauf aufs Neue hochzuschwingen und in noch grösseren Formen ostwärts zu bewegen (siehe die Einleitung).
Auch wir sind mit unseren Wanderungen zu Ende. Auf die mannigfachste Weise haben wir dieselben zu gestalten vermocht, aber auch mit systematischer Konsequenz haben wir den starken Felsenwall der Walensee-Bastille, wo er zu fassen war, angepackt und bemeistert, und haben Besitz genommen von seinen Zinnen und Türmen. Manche harte, mühevolle Arbeit ward uns dabei abgerungen; doch Schwierigkeiten und Beschwerden machten wir unserm Willen untertan, das Werk gelang und lockte frisch zu neuen Plänen und Taten.
Es konnte nicht im Rahmen meiner Aufgabe liegen, unser Gebiet auch in naturhistorischer Beziehung zu skizzieren. Die Litteratur hierüber ist nicht reichhaltig. Eine eigentliche geologische Beschreibung haben die Churfirsten noch nicht erfahren. Bruchstücke finden sich in grösseren Werken und Aufsätzen von Escher v. d. Linth, Heim, Moesch, Gutzwiller, Heer, Studer, Ludwig u. a.; hingegen gibt uns über die botanischen Verhältnisse der Churfirsten eine Monographie von G. Baumgartner (Das Churfirstengebiet in seinen pflanzengeographischen und wirtschaftl. Verhältnissen. Diss. St. Gallen 1901) reichen Aufschluss, in welcher der Verfasser diesen wissenschaftlichen Stoff nach allen Richtungen in erschöpfender und überaus anziehender und klarer Weise behandelt. Es sei daraus hier nur hervorgehoben die interessante, auch graphische Darstellung der auffallenden Unterschiede in der Vegetation auf der Nord- und Südseite der Churfirsten. Die letztere ist klimatologisch aussergewöhnlich bevorzugt. Neben dem Moment des günstigen senkrechten Einfallswinkels der Sonnenstrahlen ist am Südabhang eine doppelte Sonnenbestrahlung von Bedeutung: die direkte und die zum Teil vom See, zum Teil von den kahlen Felsen reflektierte. «Dieser Umstand mag wohl die Temperatur daselbst merklich beeinflussen und wird vielleicht neben dem eine Hauptrolle spielenden Föhn die zum Teil mediterranen Florenelemente, welche hier spontan auftreten, bedingen.»
Das Churfirstengebirge zeigt sich von allen Seiten im prächtigen Schmucke seiner Wälder. Auf der Südseite dominiert der Laubwald, und in diesem als Fürstin die Buche. Dank vorzüglicher klimatischer Faktoren auf günstiger geognostischer (kalkreicher) Unterlage steigt hier die Buche noch horstweise bis auf 1550m, vereinzelt sogar bis auf 1700m und darüber, Höhen, die sonstwo in der Schweiz, in gleicher Breite, von dieser Baumart nicht erreicht werden. Am rauhen Nordabhang herrscht der Nadelwald vor und steigen die Arve und die Fichte bis zu 1700 und 1900m.
Schliesslich sei noch erwähnt, dass die Alpenrose in vereinzelten Fällen bis zum Ufer des Walensees hinabsteigt «Die niederstürzenden Schneemassen bringen alljährlich unzählige Alpenrosensamen in tiefere Regionen, lassen deren manche auf fruchtbares Erdreich fallen, die aufgehen und durch ihre Entwicklung dann mit Recht unsere Bewunderung erregen; denn Alpenrosen, Nussbäume und Reben in demselben Rayon blühend und gedeihend sind eine seltene Erscheinung.»
Mit der vorliegenden Arbeit glaube ich die Churfirstenkette in ihren Grundzügen als touristisches Gebiet mit ziemlicher Vollständigkeit gezeichnet zu haben, ohne dabei, was eben meiner Ansicht durchaus ferne lag, bei der Behandlung dieses Stoffes in dem erschöpfenden Masse bezüglich des Materials, oder mit der peinlichen Genauigkeit in der Ausarbeitung bis ins Einzelnste nach Art eines «Itinerariums» oder «Clubführers» zu Werke gegangen zu sein. In erster und einziger Linie war’s mir darum zu tun, das Gebirge durch klare Gliederung dem Bergsteiger zu sichten und ihn durch eine geordnete Darstellung hinreichend vertraut zu machen mit den verschiedenen, zum Teil noch weniger bekannte Routen, auf welchen demselben beizukommen ist.
Einige Bemerkungen mögen hier noch Platz finden. Die Angabe von Wegzeiten glaubte ich unterlassen zu dürfen, desgleichen eine progressive Rangordnung der südlichen Anstiegslinien hinsichtlich ihres Schwierigkeitsgrades, sowie eine Zusammenstellung verschiedener Touren-Kombinationen; hingegen sei für gewisse Partien die Mitnahme eines Führers dringend empfohlen. In dieser Eigenschaft hat mir, ohne patent. Berufsführer zu sein, Ad. Gubser-Meili in Walenstadt wiederholt vorzügliche Dienste geleistet. Im wägsten Mannesalter stehend, als Gemsjäger ein verwegener Kletterer und ausgezeichneter Kenner der Churfirsten- und Faulfirstkette, dabei bescheiden und unterhaltend im Umgange, stellt er sich jederzeit gerne dem Bergsteiger zur Verfügung. – Ferner scheint es mir nicht überflüssig zu erwähnen, dass in diesen Kletterbergen, denen schon mehr als ein Menschenleben zum Opfer gefallen ist, das Seil stets mein treuer Begleiter war, dessen Hülfe sich auf allen meinen Touren stellenweise als sehr fördernd, öfter sogar als unentbehrlich erwies.
Worin liegt nun die geheime, magnetische Kraft der Churfirsten, dass mich’s unwiderstehlich immer und immer wieder zu ihnen hinzog und auf’s Neue ziehen wird nah ihren lichten Höhen? Doch wohl nicht in dem eigenwilligen Vorsatz, gerade diesen einheitlichen Gebirgskomplex touristisch gründlich auszubeuten? – Ist’s dann ihrer Kette kühngezackte Form, die Kletterei in wilden Wänden und Klüften, der Reichtum ihrer Variationen, die traute Nähe menschlicher Wohnstätten? Sind’s die lieblichen blumigen Matten, die kahlen Felsenhörner mit ihrer herrlichen Ausschau rings in die Lande, oder ist’s das köstliche Juwel des Walensees in seinen zauberischen, wechselreichen Farbnuancen?
Lieber Bergfreund, rüste dich! Steig empor zu jenen sonnigen Terrassen, zu jenen ragenden Felsenhäuptern, und lies dort oben im aufgeschlagenen Buche der Natur, so wird dir dieses Rätsel Lösung offenbar werden!
(Textquelle: Alpina 1906)