Das idyllische Bergdorf Vättis

… Nach dem 2 ½ Stunden südlich entlegenen Vättis gelangt man entweder über die Felsentreppe, den gewöhnlichen rauhen Fahrweg, Vadura (via dura) oder über Vasön (via sinistra) und bei der Säge über die Tamina tief am Fusse des gewaltigen Calanda. Das Dörfchen zählt bei 500 Einwohner, die sich von Viehzucht nähren. Bei Vättis stand in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts eine Glashütte. Bei den steigenden Holzpreisen jüngster Zeit wurde viel Holz durch die Tamina geflösst und es ist eine Wohlthat für das ganze Thal, wenn durch die Forstordnung dem Missbrauch bald Schranken gesetzt werden. Am Gnapperkopf, hoch an der westlichen Wand des Calanda, hat man in neuer Zeit einen bergmännischen Versuch auf Silber und Kupfer gemacht, aber wegen Armuth der Erze wieder aufgegeben. An der gegenüber stehenden Wand des Drachenbergs ist das Drachenloch, das schwer zugängliche zum Theil geräumige Tropfsteinhöhlen mit Rhomboidalspat enthält.
(Quelle: Die Heilquelle zu Pfäfers und Hof Ragaz sammt Umgebungen von Dr. J.J. Kaiser. Verlag von Scheitlin und Zollikofer, 1843)

In Vättis besteht innerhalb der Ortsgemeinde noch eine engere Genossenschaft, diejenige vom Vättnerberg, welche gerade die ältesten Geschlechter in sich schliesst. Dieser Vättnerberg ist eine sanfte liebliche Terrasse, die mit einer Unzahl von bald zerstreuten, bald zu Gruppen vereinigten Häuschen und Ställen bedeckt ist; hier wohnten offenbar die alten Vättner, so lange der Thalgrund selbst noch wüst und öde war. Durch ein allmäliges Tiefersägen der Tamina in der Schlucht von St. Peter, vielleicht nur durch das allmälige Durchschneiden eines Schuttkegels hat sich die Flusssohle im eigentlichen Thälchen von Vättis gesenkt; die von Geschiebe bedeckten Böden des Gaspus und Gamsboden wurden für die Vegetation gewonnen und gleich siedelten sich auch die Menschen an, um diesen Boden zu bewirthen. Je mehr das Thal selbst wegsam und benutzbar geworden, je mehr liessen sich die Menschen dort nieder und allmälig mag es auch den Vättnerbergern droben zu wild geworden sein. Heute noch wohnen sie eine Zeit lang dort oben und zwar im Winter. Im Spätherbste, wenn im Thale nichts mehr zu beissen ist, ziehen sie mit ihrem Vieh dort hinauf und ätzen das im Sommer gesammelte Futter.
(Fridolin Becker: Itinerarium für das Excursionsgebiet des S.A.C. 1888: Graue Hörner – Calanda – Ringelspitz. Glarus 1888)

Vättis, das idyllische Bergdorf am Ausgange des Calfeisentales, geniesst den Ruhm einer windgeschützten, sonnenreichen Lage, einer erhaben grossartigen Umgebung, eines alpinen Klimas und hat sich infolge dessen zu einer vielbesuchten, angenehmen Sommerfrische entwickelt. Fern vom Getriebe der Welt und dem geräuschvollen Leben moderner Kurorte lässt sich hier im Schatten ehrwürdiger Tannen, umfächelt von der reinen, würzigen Bergluft, so wohl träumen und ruhen, dass Körper und Geist die trauliche Stätte wohlgestärkt verlassen. Senkrecht steigen die teilweise mit Bergholz bewachsenen, wird zerrissenen Wände des Calanda empor, drohend blicken zur andern Seite die schnee- und eisbedeckten Felsen der stolzen Ringel auf das am Fusse einer alten Gletschermoräne hingebettete, nach Norden durch die Ausläufer des Monteluna geschützte Dörfchen mit den braunen Häuschen, dem kleinen Kirchlein, der rauschenden Tamina, und den hübschen Kurhäusern mit den lustig flatternden Fahnen. Ungehindert schweift der Blick nach Süden in das vom Görbsbach durchflossene, wiesenreiche Tal, das mit dem Kunkels und seinem Übergang in das bündnerische Rheintal in wohltuendster Weise abschliesst.
Gasthäuser: Hotel Calanda; Hotel zur Lerche; Hotel Tamina; Kurhaus Vättis. Sämtliche Häuser verfügen über Badeeinrichtungen und Gartenanlagen.
(A. Heule: Vom Wallensee bis zur Tamina – Der Wallensee und das St. Galler Oberland. Buchdruckerei J. Spälti, Glarus, 1903)

(Quelle: Alpina 1910)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert