Gletscherschwund auch im St. Galler Oberland

Das Zurücktreten der Gletscher in den Alpen

Die Gletschermannen des S.A.C., die von den diesjährigen Hochgebirgs-Excursionen zurückkehren, können ihrer Verwunderung über das gewaltige Zurücktreten der Gletscher seit einigen Jahren und besonders in diesem Sommer kaum genug Luft machen. Die Dufourkarte stimmt in der Gletscherregion mit der Wirklichkeit an sehr vielen Orten nicht mehr, indem kilometerlange Moränen an die Stelle vieler Gletscherränder getreten sind. Wenn dieses Abschmelzen in dem Masse vor sich geht, wie in den letzten Jahren, so werden mehrere kleinere Gletscher nach einem Decennium nur noch auf den ältern Karten zu finden sein. Von einem Rauherwerden unseres Climas kann also keine Rede sein, vielmehr gehen wir einer wärmern Epoche entgegen. «Die Gletschermannen sollten daher bei Zeiten das Project der Unterwassersetzung der Wüste Sahara unterstützen, um ihre Eisfelder vor dem Untergange zu retten,» meinte jüngst ein ängstlicher Bergfex.
(Quelle: Die Alpenpost 1874)

Das gemüthliche Privatgletscherchen

Aus der neuern Zeit erkennen wir eine bedeutende Abnahme des sog. ewigen Schnee’s. Bei vielen der kleinen Gletscher sehen wir das Zurückweichen der Zunge an den verlassenen Moränen, andere sind ganz verschwunden; eine Vergleichung der ältern (aus den 40er Jahren stammenden) und der neuern Aufnahmen gibt darüber Aufschluss. Am Calanda liegt, mit Ausnahme von Lawinenresten, nach besonders schneereichen Wintern kein perennirender Schnee mehr. In den Grauen Hörnern haben wir noch das gemüthliche “Privatgletscherchen”, genannt Pizsolgletscher, das aber auch um ca. 400 m, fast seine halbe Länge, zurückgegangen ist, daneben 2 Fetzen östlich und westlich des Pizsol. Um den Erstern wäre es schade, wenn er verschwinden müsste, er gibt jenem Kessel mit den schwarzen und rothen Hörnern ringsum und dem blauen See, den man erst erblickt, wenn man von allen Seiten Gräte überklettert, einen ganz wundervollen Reiz. Wir glauben in einem alten Krater zu weilen, den die Natur ganz vergessen hat, den auch die Sonne nur halbwegs ausgebrannt. In dem besonders schneefressenden Sommer 1886 sah es schon sehr frühe um die Grauen Hörner herum bedenklich grau aus; dem entsprach auch eine ausserordentliche Abnahme der Pfäverser-Therme. In der Ringelspitzkette haben wir dieselbe Erscheinung einer starken Abnahme der Gletscher nach Ausdehnung und Tiefe; doch sind dort die Reste noch etwas solider, namentlich am Ringelspitz selber sitzt noch eine wackere Kappe.
(Fridolin Becker: Itinerarium für das Excursionsgebiet des S.A.C. 1888: Graue Hörner – Calanda – Ringelspitz. Glarus 1888, S. 12)

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