Zur Nomenklatur
Heutzutage will nicht nur der Gelehrte, sondern auch jeder Bauer Alles erklären und in seinem Ursprunge nachweisen. Da wundert man sich über den Namen Vadura, oder wie er ausgesprochen wird: Fadura, was das wohl heissen möge? Natürlich via dura, harter, rauher Weg! Keine halbe Stunde davon giebt es eine Via mala; aber das spricht man aus Feia mola, ächt St. Galler-Oberländerisch. Da stimmt die Bezeichnung; der Weg ist schlecht, d.h. sehr lawinengefährdet, in der Zeit wo man ihn gerade am meisten braucht, wenn das Vieh, das im Vättnerberg „gewintert“, in’s Thal hinunter muss.
Bald soll das Va: via, bald val bezeichnen; das Thälchen von Vaplona oder Vablona sollte lange ein Val plana sein, obgleich es Alles ist, nur das nicht. Valtnov (auch schon geschrieben alpnov) und Valtüsch, mag wieder etwas anders bedeuten (Valt-nov, valt-üsch). Das Schönste ist, wenn moderne Scribaxen gar Val Teusch schreiben wollen! Um die Confusion zu vergrössern, kommt noch das Wort wala dazu, Walenbüz.
Aehnlich mit dem Va und Val in Valens, Vasane, Vaplona, Vasön, Valgez, Vadura, Vättis, Vallils, Valboden, Valdrux, etc. etc., steht es mit dem „Ma“ in Malans, Masans, Mastrils, Maton, Matan, Matär, Matugg, Matlina, Maltina, Maprak etc. etc. Masans will man erklären aus Mal sana, Mastrils aus Mons sterilis! Wenn man doch einmal mit dieser lateinischen Verdeutschung oder deutschen Verlateinung aufhören wollte!
Die Namen Monteluna, im Dialekt Montalu oder Montilu und Pizalun, im Dialekt Pizilu oder Pizlu, haben doch gewiss nichts mit dem Monde zu thun.
Ein merkwürdiger Name ist der des Val grausa. „Grauss wird im Dialekt des Taminerthales für Gross ausgesprochen (Grausswies hinter Pfävers); gräusser für grösser.
Die Alp Tersol, die wirklich eine terra sola ist, wird von den Besitzern selber „Der Sol“ geschrieben; den Namen Pizsol kannte Arnold Escher von der Linth noch nicht, der doch viel dort herumgestiegen – er nannte ihn immer Grauhorn.
Calfeisen ist auch erst in neuerer Zeit zu einem Calfeusen geworden; man findet es oft auch als Calfreisen, wozu das Analogon sich im Schanfigg befindet. Andere gemeinsame Namen im Tamina- und Plessurthal sind Langwies und St. Peter.
Am meisten ist schon über den Namen Pfävers, was schon zu einem Pfeffers geworden ist, gestritten worden. Man mag auswählen zwischen der Herleitung von faber (faver lignarius: Zimmermann) oder faba (Bohne, eine Mönchsspeise) oder Pfaff (papa, phafo, pfaffo) oder von was man sonst noch will, das etwa Beziehung haben könnte zu jenem Orte. Alte Urkunden geben die Bezeichnung Favares, Favaria, Faviera, Fabaria, daneben Puevers, Papharia, Pheuers, dann Pfaevers, Pfävers, Pfefers, endlich in der neuern Zeit, wo man Alles etwas kräftig haben will, Pfäffers und Pfeffers. Steckt nicht vielleicht in dem Favares das fa des fadura und fasön etc.?
Doch lassen wir die Philologie; ein kundiger Clubist bringt uns vielleicht im „Jahrbuche“ einmal Licht in dieses Dunkel.
(Fridolin Becker: Itinerarium für das Excursionsgebiet des S.A.C. 1888: Graue Hörner – Calanda – Ringelspitz. Glarus 1888, S. 45-47)
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Tamina:
Tamina erscheint urkundlich A. 1050 zuerst als Tuminga, 1405 als Tumin, 1414 Tyminnen, 1448 Tamine, 1461 Dumin, dann weiter als Taminge, Camingenbach, Camingfluss, Taminna, Caminga, Tamin etc., aus welchen Variationen dann bei Gruner das in der Folge bis heute fast ausschliesslich geschriebene und gesprochene “Tamina” entstand. Einzig in Vättis ist bis heute der Name „der grauss Bach” (der grosse Bach) im Gegensatz zum “Müllbach” (Mühlebach oder Görbsbach) häufiger im Gebrauch.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Vättis:
Vättis ist im Pfäverser Brief von 1050 schon als Villa erwähnt. Im Jahre 1220 tritt es als „Vetins” auf. Daraus wird in der Folge ein Vettens, Vettes, Vettis, Fettis etc., und schliesslich die seit ungefähr 100 Jahren gebräuchliche Bezeichnung Vättis, die auch im mündlichen Verkehr üblich ist.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Calfeisen:
1346 erscheint der Name Kalueys. Das „K” kommt aber jedenfalls nur in der Schrift vor; denn das Wort wird in den folgenden Urkunden bis gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts mit „G”, zwischenhinein sporadisch und dann später bis in die neueste Zeit häufiger mit „C” geschrieben, unter den Anwohnern aber seit jeher immer mit „G” ausgesprochen. 1379 Calueiss, 1385 Galues, 1414 Galfeissen, 1426 Gallfeissen, dann weiter: Galfeyssen, Galueisen; Salis „verbessert” das Wort zu Calveisen; offenbar nach dem Beispiel von J. J. Scheuchzer, der das „C” und „V” in seinem „Calveissenberg” und „Calveisen” wieder auftauchen lässt, während Guler und Sererhard gar „Calfreysen” und „Callfreisa” schreiben. Bei Ebel sehen wir ein „Kalfeusertal”, das später in Rechnungsbüchern des Kirchenfonds St. Martin und in der Literatur wieder in verschiedenen Variationen auftritt, wobei das „f” mit „v”, das „eu” mit „ei” und „ey”, das „er” mit „en” usw. in buntem Durcheinander wechselt. Alle diese unzähligen Abarten lassen sich je nach der persönlichen Auffassung der Sprechenden und Hörenden aus dem seit alters her ausgesprochenen „Galfeisa” (Schriftdeutsch Galfeisen) der Anwohner als Grundform erklären, wobei das „f” ursprünglich ein „v” gewesen sein mag, während das „a” der Endsilbe dem verdeutschten „en” entspricht. Um Verwechslungen mit „w” in der Aussprache zu verhüten, sollte das „v”, auch wenn es ursprünglich vielleicht (!) berechtigt war, heute doch als „f” geschrieben werden. Die überwiegende Mehrzahl der Urkunden, sowie die überlieferte und ortsübliche Aussprache reden dafür. «I gu in Galfeisa»; «in Galfeisa het’s schu orli Gras»; «Galfeisni hind no nit ihi gstellt» und so weiter können wir seit jeher hören. Die Bezeichnung Calveis, wie sie in neuester Zeit da und dort auftaucht, setzt voraus, dass das zuerst und nur einmal geschriebene „Kalueys” richtig sei; sie nimmt aber keine Rücksicht auf die später aufgezeichneten Wortformen und die heute noch geltende mündliche Überlieferung und ist daher abzulehnen.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Tersol:
1368 Trusseil, 1379 Trussal, 1426 Tharsol, 1483 Tarsoll, 1515 Darsal, 1562 Tarsol, weiter Darsol, der Sol, Alp Sol, Terrsol, Tersol. Als Grundform aller dieser Wortbildungen kann das heute noch ausgesprochene Tersol gelten, wobei als schwacher Bindelaut zwischen „T” und „r” (notabene ein r !) bald ein „a”, bald ein „e” gehört werden kann. «I ha Ziköa (Zeitkühe) in T(e)rsol.». «T(e)rsol ischt a kei schüni Alp» usw. Je nach der persönlichen Sprechweise des einen und der Auffassung des andern kann man zu derselben Zeit und bei demselben Geschlechte bald die eine, bald die andere der angegebenen Wortformen vernehmen. Ein Vergleich verschiedener Redensarten lässt uns da am ehesten das Richtige finden. Nach unserem Gefühle entspricht die Bezeichnung Tersol (von terra-sola = einsame Gegend) mit „T”, einem „r”, kurzem „e” und langbetontem „o” der überlieferten und heute noch üblichen Aussprache des Wortes am besten.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Vasön:
1385 Fusuns, Fusüns, Fusün; letztere beiden Namen im gleichen Lehenbriefe, Salis selbst schreibt Fasün. Im Pfäverser Urbar 1781 sehen wir erstmals „Vasön”. In allen diesen Formen liegt der Akzent auf der letzten Silbe. Bei Egger kommt der Name häufig, aber leider nur in verdeutschten (d.h. modernisierten) Auszügen aus den Urkunden als „Vasön” vor. Dasselbe sehen wir in den Kommentaren von Wegelin; dann bei unsern neueren Karten und Schriftstellern. Ortsunkundige sprechen das Wort als Wasön (mit Akzent bald auf „a”, bald auf „ö”) aus, während unsere Einheimischen seit jeher „Fasün” und „Fasünner” (letzteres für die Bewohner) und mit Akzent auf „ü” aussprechen, wie Salis richtig angibt, und was auch für die Schriftsprache nachdrücklich empfohlen werden muss.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Pizalun:
1394 Pitzwilon, 1426 Bizilonenkopf, 1483 Bitzelonkopf, 1492 die kleine Bitzenlon und die grosse Bytzenlon, Pizilon oder die zwei Brüder (nördlichster Strilserberg) bei Salis. Dieser Name bestand zuerst für zwei Liegenschaften auf dem St. Margrethenberg, und ist dann auf die beiden bekannten eng verbundenen Felsköpfe darüber übergegangen, die heute noch unter den Anwohnern Pizilu oder Bizilu genannt werden. Berücksichtigen wir, dass in unserer Gegend das „u” in Endungen und teilweise auch in Zwischensilben fast überall das „on” vertritt, dann dürfen wir die Endung „on” auch für die Schriftsprache gelten lassen und demnach den alten Formen entsprechend auch mit Salis Pizilon oder mit Wegelin Bizilon schreiben. Alle anderen Wortformen, wie Piz alun, Pizzalun, Piz Lun, Piz a Lun, Pizalun, Pizlu entspringen nach unserer Ansicht nur verschiedenen Auffassungen dieser gleichen ursprünglichen Grundform, deren bisherige etymologische Erklärung uns leider nicht befriedigt.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Graue Hörner:
Grauner Horn; diese werden 1483 als graue Hornen, dann graue Horen und Grauehoren und 1692 in moderner Verdeutschung Graue Hörner bezeichnet. Die Literatur kennt bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts keine besonderen Namen für einzelne dieser Hörner, offenbar, weil auch keines dieser Hörner durch Höhe, Lage oder Gestalt besonders hervortritt. So soll noch Arn. Escher von der Linth die höchste Spitze, unsern heutigen Piz Sol, nur unter dem Namen Grauhorn gekannt haben. Auch unsere Jäger kannten und redeten bis in die neueste Zeit nur von den „graua Hourä”, bis sich dann die Namen unserer Karten besser einbürgerten.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Calvina:
1433 Galt Vieh alp, als Galtviehalp der Gemeinden Ragaz, Valens und Vättis, ohne weitere Namensbezeichnung. Daraus entstand nach unserer Ansicht die Bezeichnung Galfina, das dann in der Folge in den Variationen Galfinen, Gerfinen, Garfinen, Calfina, Calfinen, Calvina etc. auftritt. Der Name Galfina tritt schon in Urkunden von 1471 auf und wird auch bis heute so ausgesprochen, obschon Curti beharrlich Calfina und unsere Karten ebenso beharrlich Calvina schreiben. Der Name entspricht lautlich dem schon erwähnten „Galfeisen” vollkommen und darf daher mit demselben Rechte auch als Galfina (verdeutscht „Galfinen”) geschrieben werden. Diese Erwägungen wecken in uns die Frage, ob nicht vielleicht die Bezeichnung Galfeisen sich auch von „Galt Wiesen” (d.h. Magere Wiesen) ableiten lasse? Wer will das ergründen? Die Ableitung des Wortes „Gerfinen” von cervus, Hirsch, erscheint mir wegen der hohen Lage der Alp (tiefster Punkt der Alp ca. 1800 m), der ständigen Nähe der Menschen (auf dem 1600 m hohen Vättnerberg), sowie wegen des Waldmangels als etwas gewagt.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Schräa:
1511 und 1782 Schrayen (Alp im Galfeisentale) ist auch auf der Zieglerschen Karte erwähnt. Die Dufourkarte schreibt Schreinen, die Siegfriedkarte „Schräen” („en” ist hier wieder aus „a” verdeutscht). Die Aussprache der Anwohner lautet seit Menschengedenken auf Schräa, das möglicherweise aus „Schreya” oder „Schreia” entstanden ist. Ob das letztere Wort die Urform unseres Alpnamens ist, darf noch bezweifelt werden; denn dieses Wort ist offenbar romanischen Ursprunges, gerade wie der Ausdruck „(ussa)-schräa” in der Bedeutung von „herausspritzen”, „herausströmen”, wie er in Vättis heute noch in Gebrauch ist.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Brändlisberg:
1515, des heiligen St. Martins Berg, als „Berg” oder Alp oberhalb St Martin, 1559 Alp „Berg”, 1559 Winsersberg und Wimsersberg, 1593 wieder des hl. St. Martinsberg, 1614 des Brändlis seligen Berg und von da an meistens Brändlisberg geheissen. Doch hört man noch oft unter den Anwohnern und den Besitzern den blossen Ausdruck „Berg” oder „Berg in Galfeisa” als Bezeichnung der genannten Alp. Der Name Wimsersberg, wahrscheinlich von einem Alpbesitzer herrührend, wurde von der Zieglerschen Karte und von Coolidge in entstellter Form als Wimmersberg auf den schönen Berggipfel (P. 2730) nordwestlich der Alp übertragen, obschon dieser Gipfel nicht mehr im Gebiete unserer Alp liegt. Trotzdem ist dieser Bergname bis heute nie in Übung gekommen und er verdient es auch nicht. Zum Angedenken an das einstige „freie” Volk der Walser oder „Walliser”, wie sie sich im Fasüner Lehenbriefe von 1385 nennen, welche über 400 Jahre lang mit andern „Stofelgenossen” aus dem Unterlande die Alpen des Galfeisentales befahren haben, möchten wir dem matterhornähnlichen Gipfel (P. 2730 m) den Namen Walserhorn geben. Wir glauben auch annehmen zu dürfen, dass der Name Sazmartin, d.h. Martinsfels, ursprünglich nicht der so genannten magern Alpweide in Tersol, sondern dem darüber aufragenden kühnen Felsbau, unserm heutigen Sazmartinhorn, gegeben wurde und erst nachher auf die erwähnte Alpweide überging. Denn die letztere hat an sich allein, besonders früher, als die Alp Tersol noch bedeutend weniger mit Geröll übersät war als jetzt, mit „Saz” und vermutlich auch mit „Martin” sehr wenig zu tun, wohl aber der Berggipfel darüber. Denn die Alp St. Martinsberg gehörte früher mehrere hundert Jahre lang zum Kirchengute von St. Martin, weshalb sie auch danach benannt wurde. Nach dem Alpbuche „von dem Berg in Calfeisen” (wie Egger in seiner Urkundensammlung schreibt) besass der hl. Martin, Patron in Galfeisen, A. 1560 noch 272 ½ Stösse, während andere Alpgenossen (aus dem Unterlande) 128 Stösse ihr eigen nannten. Es wäre demnach recht und billig, dass diese Alp ihren früheren mehrhundertjährigen Namen, St. Martinsberg, wieder zurückerhalten würde, statt den des ehemaligen Schänniser Hauptmanns Brendly, der die Alp nur für kurze Zeit (von 1557 an bis zu seinem Tode) besessen hat, und zudem mit den jetzigen Alpbesitzern, den Ragazern, mehrmals im Streit gelegen ist, zu verewigen. Ebensowenig geht es an, den Namen Brändlisberg ohne weiteren Zusatz auch noch auf den Berggipfel über der Alp zu übertragen und damit einen „Berg” im Quadrat zu schaffen, wie es seinerzeit die Zieglersche Karte und nach ihr die ersten (unfreiwilligen) Besteiger unseres Berges, sowie Besucher des Piz Sol getan haben.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Drachenberg und Drachenloch:
Der Draggaberg, erst 1836 erwähnt, in Karten und Literatur als Drachenberg aufgeführt. Man kennt und spricht auch im Taminatale seit jeher das Wort „Drach”, das nie als „Dragg” ausgesprochen wird. Wir müssen deshalb annehmen, dass unser Bergname „Draggaberg”, sowie „Draggaloch” (statt Drachenhöhle) nicht deutschen, sondern romanischen oder noch älteren Ursprunges ist, und daher auch in dieser Form geschrieben werden sollte. Die Wand, die den Draggaberg wie ein Gürtel umgibt, heisst nach ihrer Farbe die „Gähl Wand”. Von ihr hat die darunter liegende Schafalp den Namen „Gelbberg” oder „Gelbaberg” erhalten.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
Draggaberg und Draggaloch. Im Jahrbuch IL, pag. 179, habe ich der Vermutung Raum gegeben, daß diese Namen statt der auf dem topographischen Atlas eingeführten „ Drachenberg ” und „ Drachenhöhle ” nicht deutschen, sondern romanischen Ursprunges seien. Carigiet, P. Basil, Rätoromanisches Wörterbuch, erwähnt dracca — starker, anhaltender Regen. Demnach könnte dracca auch ein beständiges oder starkes Heruntertropfen, und Draggaloch kurz ein feuchtes oder nasses Loch bedeuten. Ein solches Loch ist unser Draggaloch, besonders die zweite und dritte Höhle, sowie der Verbindungsgang zwischen den einzelnen Höhlen, was jeder Besucher des Draggaloches bezeugen kann. Die Schreibweise „ Draggaloch ” und „ Draggaberg ” erscheint mir daher gerechtfertigt. Dafür spricht auch der Umstand, daß im Taminatale das Bestehen einer Drachensage, die sich gewiß an eine „ Drachenhöhle ” knüpfen müßte, weder für die Gegenwart noch für die Vergangenheit nachgewiesen werden kann.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1916)
Pizol:
1836 Monte Sol (deutsch Sonnenberg) als Name des höchsten der „grauen Hörner”, die bisher in der von uns angeführten Literatur keine anderen Namen aufweisen. Dieser Name bildet das Seitenstück zu dem bereits erwähnten Namen Monte Luna (Mondberg). Beide Namen (und wahrscheinlich auch der Name terra sola = Tersól) sind offenbar dem Lateinischen entnommen und vermutlich von Pfäferser Klostergeistlichen aufgestellt worden, nach welcher Seite hin sich besonders der Monte Luna auffällig präsentiert. Doch scheint es, dass der Name des Monte Sol, der mit keiner Alp in näherer Berührung steht und daher in früherer Zeit den Menschen wenig Interesse bot, ziemlich wenig gebraucht wurde oder bei wenigen damit bekannten verborgen blieb. In den Schriften über die Heilquelle zu Pfäfers vom Jahre 1822 und 1861 sind neben dem „Monteluna” nur die „grauen Hörner” ohne „Monte Sol” oder „Piz Sol” erwähnt. Auch der Geologe A. Escher von der Linth kannte nach Fr. Becker den Berg nur unter dem Namen „Grauhorn”. Die topographische und die Zieglersche Karte brachten dann den alten Namen Monte Sol in der neuen, romanisch klingenden Form „Piz Sol”, ebenso J. v. Tschudi, Theobald und der touristische Erstersteiger des Berges, Frey-Gessner. In dieser Form ist dann der Name in der Literatur mit wenigen Ausnahmen bis heute erhalten geblieben, obschon unsere neueren Karten wahrscheinlich infolge falsch verstandener Aussprache des Namens dafür die ohne Zweifel unpassende Bezeichnung „Pizol” einführten. Wer an einem klaren Wintermorgen, wie wir es schon des öftern getan haben, von Vättis nach Pfäfers wandert und den rosafarbenen Morgenglanz der Wintersonne zuerst an unserer Bergspitze und dann allmählich erst an den niederen Hörnern leuchten sieht, der versteht, warum dieser Berg seinen „grauen” Namen nicht mehr länger tragen, sondern „Sonnenberg”, „Monte Sol” heissen wollte; der versteht auch, warum das Tälchen oberhalb der Alp Zanei mit dem scharf hervorstehenden Gratrücken des „hinteren Zaneihorns”, der im rosigen Morgenlichte leuchtet, wenn seine Umgebung noch lange im Schatten liegt, „Sonnental” genannt wurde.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1913)
MonteSol — MonteLuna — Tersol.
Zur Bekräftigung meiner Vermutung, dass diese drei Namen dem Lateinischen entnommen sind und seinerzeit von den Klostergeistlichen von Pfävers aufgestellt wurden, sei beigefügt, dass die Grenze der ehemaligen Herrschaft Pfävers von der Saar in die Grauen Hörner also wohl auch zum jetzigen Piz Sol, von dort dem Tersolbache entlang zur Tamina, dieser entlang nach Sardona und von hier durch den Ebnebach auf den Hauptkamm des Ringelgebirges etc. verlief. Der Monte Luna lag demnach ganz, der Piz Sol, bzw. Monte Sol und das einsame Tal Tersol teilweise auf Pfäverser Gebiet. Das Kloster hatte also ein Interesse für diese Örtlichkeiten, wie das heute noch jeder Bauer für seine „Marchen” besitzt. Die Annahme liegt also nahe, dass es solchen, bisher vielleicht unbenannten Marchpunkten, wie dem Monte Sol und anderen nennenswerten Örtlichkeiten seines Gebietes, eigene Namen gab, und hierfür das bei den alten Klöstern beliebte Latein verwendete, also Monte Sol, Monte Luna, Tersol, vielleicht auch Via dura (Vadura), campus (Gams) und andere Namen, die uns heute romanisch entgegenklingen, schrieb. Geistliche des Klosters Pfävers besorgten auch die Pastoration von Vättis und mussten bis zur Erbauung eines besonderen Pfarrhauses daselbst den Weg von Pfävers nach Vättis auch im Winter des öftern unter die Füsse nehmen. So kam es wohl, dass denselben unser heutige Piz Sol, besonders an Wintermorgen, gar oft als Sonnenberg (Monte Sol), das Tälchen am Nordfusse des grossen Zaneihorns als Sonnental erschien. Möglicherweise ist das letztere auch von anderen und später so genannt worden. Der Monte Luna aber zeigt sich schon von Pfävers aus, besonders in winterlicher Mondnacht, in seiner vollsten träumerischen Pracht, die wohl den Anlass zu seiner jetzigen Benennung gab.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1916)
Wildsee.
Dieser Name des bekannten Sees in den „grauen Horen” rührt ohne Zweifel von der im Taminatale durch die alten Jäger verbreiteten und vererbten Sage her, dass der See beim Heranziehen eines „Wetters” und während desselben sich wild gebärde, aufschäume und „wellne”, brülle und donnere, dass man es weit herum hören könne. Dann sei es nicht geheuer in diesen Bergen, Geister spuken herum und dergleichen. So ist der Name Wildsee ein Denkmal für die vielen immer mehr verschwindenden Geister- und Bergmannlisagen, die einst fast alle unsere Alpen und Maiensässe bevölkert haben und Zeugnis ablegten für das Naturempfinden und den poetischen Sinn unserer Altvorderen.
(Quelle: SAC Jahrbuch 1916)
(Verfasser: Friedrich Wilhelm Sprecher)